BGH-Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach Verkehrsunfall

Nach einem Verkehrsunfall wenden sich Kfz-Haftpflichtversicherer regelmäßig mit einem umfassenden „Warnschreiben“ an den Geschädigten und belehren ihn, was er zu tun und zu lassen hat. Das soll Unsicherheiten auf der Geschädigtenseite erzeugen und den Versicherern Geld sparen.

Der Geschädigte wird u. a. darauf hingewiesen, dass er möglicherweise diverse Schadenpositionen nicht vom Kfz-Versicherer des Schädigers ersetzt bekommt. Das betrifft eigentlich alle Schadenpositionen, angefangen von angeblich überteuerten Reparaturkosten über nicht erstattungsfähige Gutachter- und Mietwagenkosten bis hin zu Rechtsanwaltsgebühren für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Unfallschadenregulierung.

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.10.2019 (Az.: VI ZR 45/19) sorgt jetzt für Rechtssicherheit des Geschädigten.

Bereits in der Vergangenheit haben viele Gerichte entschieden, dass selbst die Regulierung kleiner Unfallschäden von Anfang an in die Hand eines erfahrenen Rechtsanwalts gegeben werden kann (AG Dortmund, Urteil vom 29.06.2009, Az.: 431 C 2044/09) bzw. es geradezu fahrlässig sei (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.12.2014, Az.: 22 U 171/13), einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.

Der BGH stellte jüngst in letzter Instanz klar, dass jeder Geschädigte – ob Verbraucher oder wie im Streitfall Inhaber einer Fahrzeugflotte – auf Kosten des Schädigers einen Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Regulierung seines Unfallschadens beauftragen darf.

In der Entscheidung heißt es:

„Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall darstellt, wird inzwischen von der wohl überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung der unteren Instanzgerichte geteilt (z.B. AG Hamburg, DV 2018, 149 Rn. 3 f.; AG Flensburg, NJW-RR 2012, 432 Rn. 11 ff.; LG Krefeld, NJW-RR 2011, 1403 Rn. 9; AG Münster, NJW-RR 2011, 760 Rn. 6 ff.; AG Köln, SP 2011, 267, juris Rn. 4 f.; LG Itzehoe, SP 2009, 31, juris Rn. 15 f. für Unfall im Begegnungsverkehr und Schadenshöhe ab 2.000 €; AG Kassel, NJW 2009, 2898, juris Rn. 5; AG Frankfurt, Urteil vom 3. März 2011 – 29 C 74/11, juris Rn. 8 ff.; LG Mannheim, Urteil vom 22. Juni 2007 – 1 S 23/07, juris Rn. 7; a.A. z.B. LG Münster vom 8. Mai 2018 – 3 S 139/17, juris Rn. 31 ff.; LG Berlin, SP 2009, 446 Rn. 4), ebenso in der Literatur (z.B. Zoll in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 41 Rn. 132; Kuhnert in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB Rn. 207 für Rechtsunkundige; Hunecke, NJW 2015, 3745, 3747; Wagner, NJW 2006, 3244, 3245 f., 3248; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 Rn. 234; Schneider in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 39. EL, 5. C. Rn. 82; a.A. z.B. Böhm/Lennartz, MDR 2013, 313). Dabei wird zu Recht darauf abgestellt, dass bei einem Fahrzeugschaden die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Lehre seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert wird, die umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu nach wie vor fortentwickelt wird und dementsprechend zwischen den Geschädigten und den in der Regel hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge – wie auch vorliegend – bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten wird. Insoweit besteht, wie vom Berufungsgericht zutreffend festgestellt, keine Vergleichbarkeit mit dem Senatsurteil vom 8. November 1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348 zugrundeliegenden Fall, in welchem es um die Beschädigung von Autobahnanlagen (Leitplanken, Verkehrszeichen etc.) durch Kraftfahrzeuge ging (vgl. Nixdorf, VersR 1995, 257, 260; Wagner, NJW 2006, 3244, 3248 f.). Bei Unklarheiten im Hinblick jedenfalls auf die Höhe der Ersatzpflicht, wie sie typischerweise bei Fahrzeugschäden nach einem Verkehrsunfall bestehen, darf aber auch und gerade der mit der Schadensabwicklung von Verkehrsunfällen vertraute Geschädigte vernünftige Zweifel daran haben, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen wird. Dass der erfahrene Geschädigte durchaus in der Lage sein wird, den Unfallhergang zu schildern und – ggf. unter Beifügung eines Sachverständigengutachtens – die aus seiner Sicht zu ersetzenden Schadenspositionen zu beziffern, macht den Fall selbst bei Eindeutigkeit des Haftungsgrundes nicht zu einem einfach gelagerten und schließt deshalb die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht aus (entgegen Nugel, jurisPR-VerkR 24/2008 Anm. 5 sub D. 2)“.

Praxistipp: Aufgrund unserer Erfahrung kann festgestellt werden: Aktuell ist das Regulierungsverhalten vieler Kfz-Haftpflichtversicherer äußerst problematisch. Einzelne Schadenpositionen werden bestritten, unstreitig angefallene Reparaturkosten willkürlich gekürzt, Sachverständigen- und Mietwagenkosten angezweifelt und die Schadenregulierung grundlos verzögert.

Gehen Sie derartigen Problemen aus dem Weg, indem Sie von Anfang an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht mit der Unfallschadenregulierung beauftragen. Sie sparen nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Nerven.

Melden Sie sich direkt nach Ihrem Verkehrsunfall: Wir beraten Sie gern!