Keine Wartepflicht des Unfallgeschädigten auf Restwertangebot des Versicherers

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 11.11.2015 (Az.: I-11 U 13/15) entschieden, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls dem Haftpflichtversicherer des Verursachers keine Gelegenheit zu einer besseren Verwertung des Unfallfahrzeugs geben muss.

Dem Rechtsstreit lag ein typischer Sachverhalt zugrunde, der im Unfallrecht regelmäßig vorkommt. Das Fahrzeug des Geschädigten erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Geschädigte entschied sich für eine Ersatzbeschaffung. In diesem Zusammenhang veräußerte er das Unfallfahrzeug an den vom Kfz-Sachverständigen auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelten Restwert.

Der gegnerische Haftpflichtversicherer holte selbst Restwertangebote ein und regulierte den Schaden dann auf Basis des höheren Restwertangebotes. Dadurch verringerte sich der Zahlbetrag für den Versicherer. Den offenen Restbetrag klagte der Geschädigte ein.

Das Oberlandesgericht Hamm gab dem Geschädigten Recht. Nach Auffassung des Gerichts verstößt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn er das Unfallfahrzeug zu einem vom Kfz-Sachverständigen nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs ermittelten Restwert verkauft.

Der Geschädigte ist auch nicht verpflichtet, zuvor der Kfz-Haftpflichtversicherung des Gegners Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot für das Fahrzeug nachzuweisen. Darin liegt nach Auffassung der Richter kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht.

Das OLG Hamm stellte zudem klar, dass sich aus der Verpflichtung des Unfallgeschädigten, im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen, keine generelle Verpflichtung ergibt, vor dem Verkauf des Fahrzeugs dem Haftpflichtversicherers des Unfallgegners das Schadengutachten zugänglich zu machen, um ihm so einen gewissen Zeitraum zum Nachweis höherer Restwertangebote einzuräumen.

Ausdrücklich entgegengetreten ist das OLG Hamm einer Entscheidung des OLG Köln vom 16.12.2012 (Az.: I-13 U 80/12), die dem Geschädigten genau diese Verpflichtung unterstellte. Das OLG Hamm machte deutlich, dass die Rechtsprechung des OLG Köln im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Mehrheit der anderen Oberlandesgerichte steht. Die Entscheidung des OLG Köln wurde seitdem gerne von Kfz-Haftpflichtversicherern zitiert, um höhere Restwerte durchzusetzen.