Herbeiführung der Indizwirkung für die Erforderlichkeit von Reparaturkosten auch durch Zahlung der offenen Rechnungsbeträge während des Rechtsstreits

Die von der Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN vertretene Geschädigte machte vor dem Amtsgericht Minden restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen den eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer geltend. Es handelte sich um restliche Reparaturkosten, deren Zahlung vom Versicherer unter Hinweis auf einen sog. „Prüfbericht“ verweigert wurde.

Im Laufe des Rechtsstreits hat sie den offenen Betrag an ihre Kfz-Werkstatt gezahlt. Umstritten war in diesem Zusammenhang, ob die Zahlung der Klägerin während des laufenden Rechtsstreits die Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Rechnungsbeträge herbeiführt. Das hat das Amtsgericht Minden bejaht (AG Minden, Urteil vom 16.02.2018, Az.: 28 C 220/17).

In der Entscheidung heißt es:

„Lässt der Geschädigte das Fahrzeug […] tatsächlich reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten […]. Richtig ist zwar, dass der BGH in neuerer Zeit im Rahmen der Erstattung von Sachverständigenkosten ergänzend ausgeführt hat, dass eine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Rechnungsbeträge nicht eintritt, wenn die Rechnung als solche noch nicht beglichen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016, VI ZR 491/15 sowie BGH, Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16). Ob diese Entscheidung auch auf den hiesigen Fall anzuwenden ist, bedarf allerdings keiner Entscheidung, weil die Klägerin die in Rechnung gestellten Reparaturkosten mittlerweile vollständig an den Reparaturbetrieb gezahlt hat, wie sie auch zur Überzeugung des Gerichts […] durch Vorlage der […] Quittung nachgewiesen hat. Eine Indizwirkung ist damit nach der Rechtsprechung des BGH gegeben.

Dass die Zahlung erst […] während des laufenden Rechtsstreits und nach Erhebung der Einwendungen der Beklagtenseite erfolgt ist, ist irrelevant. Nach einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung können tatsächlich entstandene (und ausgeglichene) Reparaturkosten regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind […]. Solange dem Geschädigten nicht ausnahmsweise bezüglich des beauftragten Sachverständigen oder der beauftragten Werkstatt ein Auswahlverschulden zur Last fällt (was vorliegend nicht ersichtlich ist), sind ihm die Kosten zu erstatten, die er aufgrund des Gutachtens als notwendig ansehen darf und von denen er nach erfolgter Reparatur aufgrund der gestellten Werkstattrechnung annehmen darf, dass er sie als Auftraggeber schuldet. Der Unfallgeschädigte darf sowohl auf die Sachkunde des Gutachters vertrauen, als auch darauf, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden.

Die Klägerin hat durch die Zahlung der Rechnung zu verstehen gegeben, dass sie die Forderung der Reparaturwerkstatt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach akzeptiert und den Angaben des Autohauses zum Umfang der Arbeiten sowie der Höhe der Kosten vertraut. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig […].“

Praxistipp: Das Urteil des Amtsgerichts Minden zeigt einmal mehr, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall so instandsetzen lassen kann, wie es der von ihm beauftragte Kfz-Sachverständige prognostiziert. Die Reparaturkosten sind ihm vom Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers vollumfänglich zu erstatten. Um die sog. Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Rechnungsbeträge herbeizuführen, sollte der Geschädigte die offenen Restbeträge zunächst selbst verauslagen und anschließend gerichtlich durchsetzen.