OLG Hamm urteilt zur Restwertermittlung nach Verkehrsunfall

In einer aktuellen Entscheidung hatte das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 11.02.2020, Az.: 11 U 5/20) Gelegenheit, zur Frage der Restwertermittlung im Totalschadenfall Stellung zu nehmen.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Geschädigte war ca. 150 km vom Wohnsitz entfernt unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Da das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war, beauftragte er einen Sachverständigen vor Ort mit der Schadenermittlung. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten war.

Der Geschädigte verkaufte das Fahrzeug am Unfallort zu dem vom Kfz-Sachverständigen ermittelten Restwert. Der regulierungspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer unterbreitete nach Veräußerung des Unfallfahrzeugs ein erhöhtes Restwertangebot und legte dieses Angebot der Schadenregulierung zugrunde. Ferner machte er geltend, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nicht am Unfallort, sondern am Wohnort hätte veräußern müssen.

Das OLG Hamm urteilte, dass der Geschädigte sich wirtschaftlich vernünftig verhielt, indem er das Unfallfahrzeug zu dem vom Kfz-Gutachter auf dem allgemeinen regionalen Markt am Unfallort ermittelten Restwert veräußerte. Das nach Veräußerung des Unfallfahrzeugs vorgelegte Restwertangebot des Versicherers war unbeachtlich.

Bei dieser Gelegenheit bestätigte das OLG Hamm noch einmal, dass der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen genügt, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 13.10.2009, VI ZR 318/08). In diesem Fall ist der Geschädigte nicht gehalten abzuwarten, um den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zu dem Schadensgutachten Stellung zu nehmen und/oder bessere Restwertangebote vorzulegen. Ein später durch den Versicherer unterbreitetes höheres Restwertangebot war also unbeachtlich.

Das OLG Hamm setzte sich ferner mit der Frage auseinander, auf welchen regionalen Markt es bezüglich der Restwertermittlung ankommt. Das hat der Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden. Für den Fall eines wohnortnahen Unfalls hat das OLG Hamm in einem früheren Urteil (vom 28.09.2019, Az.: 9 U 137/16) angenommen, dass der regionale Markt auf eine Entfernung von 40 km vom Wohnort des Geschädigten zu begrenzen sei. Das wird bei wohnortnahen Unfällen auch zukünftig so gelten.

Im konkreten Fall ereignete sich der Unfall allerdings 150 km vom Wohnort des Geschädigten entfernt. Der Kfz-Sachverständige hat bei seiner Wertermittlung den Standort des Unfallfahrzeugs zugrunde gelegt und Restwerte im Umkreis von 20 km Umkreis, bezogen auf den Unfallort, eingeholt. Die so erfolgte Wertermittlung habe wirtschaftlicher Vernunft entsprochen und sei nicht zu beanstanden – so die Richter. Anderenfalls wären möglicherweise Kosten für den Transport des Fahrzeugs vom Unfallort zum Wohnort angefallen, die so vermieden wurden. Der Geschädigte hat also nicht gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstoßen.