Update: Keine Wartepflicht des Unfallgeschädigten auf Restwertangebot des Versicherers

Im Beitrag vom 01.06.2016 haben wir über ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm berichtet.

Hier ein Update:

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27.09.2016 (Az.: VI ZR 673/15) seine bisherige Rechtsprechung sowie die Entscheidung des Oberlandesgericht Hamm vom 11.11.2015 (Az.: I-11 U 13/15) bestätigt, wonach der Geschädigte eines Verkehrsunfalls dem Haftpflichtversicherer des Verursachers keine Gelegenheit zu einer besseren Verwertung des Unfallfahrzeugs geben muss. Seit einer Einzelfallentscheidung des 13. Senats des Oberlandesgerichts Köln vom 16.07.2012 haben Kfz-Haftpflichtversicherer regelmäßig die gefestigte Rechtsprechung in Zweifel gezogen.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Pkw des Klägers wurde am 03.02.2014 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Die Haftung ist unstreitig. In einem vom Kläger eingeholten Schadensgutachten vom 03.02.2014 wurde der Restwert seines Fahrzeugs auf der Grundlage von vier auf dem regionalen Markt eingeholten Angeboten mit 10.750 € beziffert, der Wiederbeschaffungswert mit netto 27.804,88 €. Der Kläger übersandte das Gutachten am 07.02.2014 dem Beklagten, wo es am 08.02.2014 einging. Der Beklagte be­stätigte den Eingang mit Telefax vom 11.02.2014 und teilte zugleich mit, die Schadensunterlagen momentan zu prüfen. Ebenfalls am 11.02.2014 verkaufte der Kläger das beschädigte Fahrzeug für 11.000 € an einen nicht ortsansässigen Käufer. Mit Schreiben vom 13.02.2014 legte der Beklagte dem Kläger mehrere höhere Angebote für das beschädigte Fahrzeug vor, darunter ein verbindliches Ange­bot eines ebenfalls nicht ortsansässigen Händlers über 20.090 €. Den Schaden des Klägers rechnete der Beklagte sodann auf der Grundlage eines Restwerts von 20.090 € ab. Mit seiner Klage verlangt der Kläger vom Beklagten den Differenzbetrag in Höhe von 9.090 € aus dem vom Beklagten angesetzten Restwert (20.090 €) und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös (11.000 €). Die Klage hatte Erfolg.

Dem Geschädigten fällt wegen des vorgenommenen Verkaufs des Fahrzeugs kein Verstoß gegen das bei der Ersatzbeschaffung zu beachtende Gebot der Wirtschaftlichkeit zur Last. Der im Streitfall erzielte Kaufpreis lag sogar gering­fügig über dem vom Sachverständigen für den regionalen Markt ermittelten Restwert. Auf die Richtig­keit des Gutachtens konnte der Kläger vertrauen. Denn der Sachverständige hat ausweislich des Gutachtens auf dem regionalen Markt bei vier verschiedenen Unternehmen Restwertangebote einge­holt, womit das Schadensgutachten den vom Bundesgerichtshof gestellten Anforderungen genügt hat; auch sonst hat für den Kläger kein Anlass bestanden, dem Gutachten zu misstrauen.

Der Kläger durfte das Fahrzeug nur sieben Tage nach dem Unfall verkaufen, ohne zuvor dem Ver­sicherer Gelegenheit zu geben, ihm ein höheres Restwertangebot für das Fahrzeug nachzuweisen. Entgegen der Entscheidung des OLG Köln gibt es keine generelle Verpflichtung des Geschädigten, ein von ihm eingeholtes Schadensgutachten dem gegnerischen Haftpflichtversicherer vor dem Ver­kauf des Unfallfahrzeugs zugänglich zu machen und ihm einen gewissen Zeitraum zum Nachweis höherer Restwertangebote einzuräumen.

Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm einge­schalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigen­gutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haft­pflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzu­legen.