Messgerätehersteller Leivtec zieht Notbremse für Messgerät XV3

Bereits seit längerer Zeit stehen Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät Leivtec XV3 in der Kritik. Es bestand der Verdacht, dass bei Verkehrsmessungen unzulässige Messabweichungen auftreten können.

Sachverständige für Verkehrsmesstechnik und die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt streiten bereits seit Jahren über die Frage, welche Messdaten aufgezeichnet werden und zur Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen auswertbar sein müssen.

Im vergangenen Herbst haben Sachverständige in zwei voneinander unabhängigen Versuchen Messabweichungen festgestellt. Bei einer Testmessung mit zwei identischen Geräten an derselben Stelle ergaben sich bei Durchfahrt eines Fahrzeugs zwei unterschiedliche Messergebnisse. Während ein Gerät eine Geschwindigkeit von 125 km/h ermittelte, führte die Messung mit dem anderen Gerät zu einem Geschwindigkeitswert von 141 km/h. Eine derartige Messdifferenz von 16 km/h entscheidet im Zweifel über ein Fahrverbot.

Das Messverfahren zur Überwachung von Geschwindigkeitsüberschreitungen wird bundesweit eingesetzt.

Nun zog der Hersteller das Messgerät vorläufig aus dem Verkehr und forderte die Behörden, bei denen das Messgerät im Einsatz ist, auf, vorerst keine Messungen mehr vorzunehmen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es auch bei Beachtung der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät Leivtec XV3 gelten als standardisiertes Messverfahren. Diese Grundsätze können aus aktuellen Gründen keinen Bestand haben, denn möglicherweise sind betroffene Verkehrsteilnehmer gar nicht zu schnell gefahren. Aus unserer Sicht müssen Bußgeldverfahren bei Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit des Messvorgangs eingestellt werden.

Was können Betroffene jetzt tun?

Sofern Sie aktuell betroffen sind, also ein Anhörungsschreiben oder einen Bußgeldbescheid erhalten, empfehlen wir Ihnen, entweder selbst Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einzulegen und auf die Problematik hinzuweisen oder sich direkt an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden, der Ihre rechtlichen Interessen im Bußgeldverfahren vertritt.

Sind auch Geräte anderer Hersteller betroffen?

Die aktuelle Problematik betrifft derzeit nur das Messgerät Leivtec XV3. Die Kritik der mangelnden Überprüfbarkeit von Verkehrsmessungen durch die fehlende Aufzeichnung von Rohmessdaten betrifft aber auch Geräte anderer Hersteller.

Bestehen noch Möglichkeiten, ein bereits beendetes Verfahren neu aufzurollen?

Die Hürden sind leider hoch, obwohl davon auszugehen ist, dass in der Vergangenheit bereits viele Verkehrsteilnehmer zu Unrecht belangt worden sind. Es hängt vom Einzelfall ab, ob ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt werden kann. In diesem Fall empfehlen wir Ihnen eine anwaltliche Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht.

Praxistipp: Es kann sich lohnen, Verkehrsmessungen rechtlich und technisch prüfen zu lassen. Auch bei vermeintlich sicheren Messverfahren treten regelmäßig Fehler auf, die im Einzelfall zu einer Verfahrenseinstellung führen können.

Haben Sie Fragen zu einem konkreten Fall? Rufen Sie an oder senden Sie uns Anhörungsschreiben bzw. Bußgeldbescheid unkompliziert per E-Mail. Wir beraten Sie gern!

Zentrale Bußgeldstelle Sachsen-Anhalt stellt Bußgeldverfahren ein

Unser Mandant befuhr am 30.06.2018 die BAB 2. In Höhe der Gemeinde Groß Santersleben geriet er in eine Abstandskontrolle.

Die Verwunderung war groß, als er Wochen später die Post der Bußgeldbehörde öffnete. Ihm wurde vorgeworfen, bei einer Geschwindigkeit von 221 km/h den erforderlichen Mindestabstand nicht eingehalten zu haben. Sein Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug soll 36 Meter und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes betragen haben. Immerhin führt dies zu einem Bußgeld von 180,00 € und der Eintragung eines Punktes in das Fahrerlaubnisregister.

Nach Einsicht in die amtliche Ermittlungsakte und Überprüfung der Messung konnten durch die BARGMANN Rechtsanwaltskanzlei eklatante Messfehler nachgewiesen werden. Letztlich stellte sich heraus, dass der Betroffene nicht 221 km/h, sondern lediglich 121 km/h gefahren ist, was zur Einstellung des Bußgeldverfahrens führte.

Praxistipp: Nicht in jedem Verfahren sind Messfehler so offensichtlich wie in diesem Fall. Die Erfahrung zeigt aber: Auch Bußgeldbehörden machen Fehler. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, Verkehrsmessungen – egal ob Abstandsüberwachung, Geschwindigkeitsmessung oder Rotlichtverstoß – daraufhin zu überprüfen, ob alle verfahrensrelevanten Voraussetzungen für das sog. standardisierte Messverfahren eingehalten wurden.

Deshalb unsere Empfehlung: Nehmen Sie als Betroffener in einem Bußgeldverfahren Ihre Rechte wahr und lassen Sie sich frühzeitig durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten!