Nach einem Verkehrsunfall stellt sich für den Geschädigten in der Regel folgende Frage: Wer sichert die Beweise und wie hoch ist der Schaden?
Nur eine unabhängige und vollständige Beweissicherung über Umfang und Höhe des Schadens gewährleistet, dass dem Geschädigten alle Schadensersatzansprüche in vollem Umfang erstattet werden. Zu diesem Zweck hat der Geschädigte das Recht, einen unabhängigen Kfz-Sachverständigen mit der Beweissicherung und der Erstellung eines Schadengutachtens zu beauftragen. Einen Sachverständigen der gegnerischen Haftpflichtversicherung muss er nicht akzeptieren.
Die Kosten des Schadengutachtens trägt bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung. Sofern lediglich ein sogenannter Bagatellschaden vorliegt, reicht ein Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt.
Seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1994 lag die Grenze zum Bagatellschaden bei 1.500,00 DM, also etwa 715,00 €. Ab einem Schaden von etwa 800,00 € durfte der Geschädigte seither einen Gutachter mit der Schadenermittlung beauftragen. In jüngster Vergangenheit gibt es allerdings Tendenzen in der Rechtsprechung, diese Schwelle aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung höher zu ziehen.
Mit Urteil vom 08.11.2019 (Az.: 012 O 15/19) hat das Landgericht Münster entschieden, dass die Bagatellgrenze bei 1.000,00 € netto liegt. Das entspricht beim derzeitigem Umsatzsteuersatz von 19 % einem Bruttobetrag von 1.190,00 €. Das Gericht betont allerdings auch, dass Umstände des Einzelfalls ein Abweichen von diesem Richtwert rechtfertigen können.
Praxistipp: Ab einem Unfallschaden von ca. 1.200,00 € darf der Geschädigte eines Verkehrsunfalls unzweifelhaft einen Kfz-Sachverständigen seines Vertrauens mit der Erstellung eines Kfz-Schadengutachtens beauftragen. Bei kleineren Schäden sollte im Einzelfall abgewogen werden, ob ein Kostenvoranschlag einer Kfz-Werkstatt ausreichend ist oder Umstände vorliegen, die ausnahmsweise doch die Einschaltung eines Kfz-Sachverständigen rechtfertigen.