AG Nordhorn verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zum Ersatz offener Mietwagenkosten

Die Geschädigte eines Verkehrsunfalls hat während der Reparaturdauer einen Mietwagen in Anspruch genommen. Der dafür gezahlte Preis erschien der in Anspruch genommenen Kfz-Haftpflichtversicherung zu hoch, so dass eine vollständige Regulierung der Mietwagenkosten verweigert wurde.

Es kam wie es immer kommt: Die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN hat – diesmal vor dem Amtsgericht Nordhorn – die offenen Schadensersatzansprüche eingeklagt.

Mit Urteil vom 06.03.2024 verurteilte das AG Nordhorn (Az.: 3 C 834/23) den Versicherer zur Zahlung der eingeklagten Mietwagenkosten.

Das Gericht folgt der obergerichtlichen Rechtsprechung des OLG Celle und bemisst die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten nach dem arithmetischen Mittel zwischen Schwacke-Automietpreisspiegel und Fraunhofer Erhebung.

Innerhalb des Schwacke-Automietpreisspiegels favorisiert das Gericht ebenfalls das arithmetische Mittel. Fachleute wissen, was damit gemeint ist. Im Urteil heißt es: „Das Gericht sieht das in der Schwacke-Liste genannte arithmetische Mittel als vorzugswürdiger gegenüber dem dort genannten Modus an, der die am häufigsten genannten Werte in den Vordergrund rückt (so auch OLG Celle, NJW-RR 2012, 802, 806). Dem Gericht scheint der Mittelwert ein geeigneterer Vergleichsmaßstab zu sein als der am häufigsten genannte Wert. Zudem stellt auch die Fraunhofer-Tabelle auf das arithmetische Mittel ab.“

Hinsichtlich der Berechnung einer über 3 Tage dauernden Anmietung stellt das Gericht zunächst die beiden unterschiedlichen Rechtsauffassungen dar. Nach einer Auffassung werde der höchste mögliche Bereich genommen und der fehlende Rest mit Einzeltagessätzen aufgefüllt. Das Gericht folgt allerdings der anderen Auffassung. Danach wird der höchstmögliche enthaltene Zeitraum (in diesem Fall also der Dreitageszeitraum) durch die enthaltenen Tage (in diesem Fall 3) dividiert und mit den Gesamttagen (in diesem Fall 4 Tage) multipliziert.

Einen Abzug für ersparte Eigenaufwendungen nimmt das AG Nordhorn nicht vor, weil ein klassentieferes Fahrzeug angemietet bzw. abgerechnet worden ist. Im Urteil heißt es: „Ein weiterer Abzug würde zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen (BGH Urteil vom 5.3.2013 in VI ZR 245/11).“

Ein Abzug wegen der Anmietung eines sogenannten Werkstattersatzwagens kam nicht in Betracht, weil es sich um ein Selbstfahrervermietfahrzeug handelte. Das deutet an, dass anderenfalls ein Abzug möglich gewesen wäre.

Amtsgericht Nordhorn: Verbringungskosten und Covid-19-Desinfektionskosten sind erstattungsfähig

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall in Nordhorn hat der Geschädigte ein Kfz-Schadengutachten in Auftrag gegeben, um den Schaden an seinem Fahrzeug feststellen zu lassen. Auf Grundlage der Schadenfeststellung des Gutachters hat er eine Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt in Auftrag gegeben.

Wie so häufig kürzte der auf Schadenersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer die berechtigten Schadensersatzansprüche des Geschädigten, so dass die Restforderung vor dem Amtsgericht Nordhorn gerichtlich geltend gemacht werden musste.

In diesem Rechtsstreit ging es um restliche Schadensersatzansprüche in Form von Verbringungskosten, also den Transportkosten zwischen Werkstatt und Lackiererei, sowie notwendige Kosten für Desinfektionsmaßnahmen in Folge der Covid-19-Pandemie.

Mit Urteil vom 12.01.2022 (Az.: 3 C 776/21) verurteilte das AG Nordhorn den Kfz-Versicherer zur Zahlung der offenen Beträge.

Im Urteil heißt es:

„Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen hat der Schädiger das Risiko einer fehlerhaften oder unangemessenen Reparatur der vom Geschädigten beauftragten Werkstatt zu tragen. Zwar darf der Geschädigte das Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens nicht ausblenden. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit i. S d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten gegeben hat, kann ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten nicht zum Nachteil gereichen. Es liefe dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zuwider, wenn dem Geschädigten die Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung zur Last gelegt würden, obwohl deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und auf ein von ihm nicht kontrollierbares Verhalten der Werkstatt beruht. […]

Im Streitfall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Schadens eingeholt hat. Auf die Richtigkeit eines solchen Gutachtens darf der Geschädigte i. d. R. vertrauen, soweit nicht ein vor Reparaturbeginn vorgelegtes Gegengutachten ernsthafte Zweifel erweckt.

Nach diesen Maßstäben sind die Verbringungs- und Hygienekosten ersatzfähig. Die angegriffenen Positionen sind sowohl im Gutachten als auch in der Reparaturrechnung aufgeführt; die prognostizierten und abgerechneten Kosten stimmen überein. Der Einwand der Beklagten, die Verbringungs- und Desinfektionskosten seien nicht erforderlich, ist mithin unerheblich. […]

Ungeachtet dessen bestehen keine Zweifel daran, dass die Hygienekosten adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen sind. In Zeiten einer globalen Pandemie ist für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, dass seitens der Werkstatt besondere Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden mussten. […]“

Der Geschädigte musste lediglich zugestehen, dass dem Versicherer eine Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche des Versicherers gegen die Werkstatt eingeräumt wurde.