Amtsgericht Rheine zu Verweis auf günstigere Werkstatt und Wertminderung bei hoher Laufleistung

Die Geschädigte eines unverschuldeten Verkehrsunfalls rechnete die bestehenden Schadensersatzansprüche fiktiv, d. h. auf Basis eines von ihr eingeholten Kfz-Schadengutachtens ab.

Der Gutachter ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 3.958,03 € netto sowie eine Wertminderung von 100,00 €. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls 5 Jahre alt und hatte eine Laufleistung von ca. 189.000 km. Es war durchgängig und nachweisbar durchgehend in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden.

Der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer regulierte nur einen Teilbetrag der Reparaturkosten unter Hinweis auf einen sog. „Prüfbericht“. Die Zahlung einer Wertminderung lehnte er ganz ab.

Die Geschädigte klagte und bekam vor dem Amtsgericht Rheine vollständig die restlichen Schadensersatzansprüche zugesprochen (Urteil vom 20.07.2021, Az.: 14 C 55/21).

Die Begründung war kurz und knackig:

„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der fiktiven Reparaturkosten gemäß Schadengutachten der […] vom […]. In diesem Schadengutachten hat die […] die Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten und UPE-Aufschlage des Autohauses […] zugrunde gelegt. Dieses ist nicht zu beanstanden, da die Klägerin nachweislich ihr Fahrzeug bisher regelmäßig in dieser Markenwerkstatt gewartet hat. Dies hat der Sachverständige […] mit Schreiben vom 13.12.2019 bestätigt. Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf die Stundenverrechnungssätze und Materialkosten dieses Autohauses und kann nicht auf günstigere freie Werkstätten verwiesen werden.

Durch den Verkehrsunfall ist außerdem eine Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 100,00 Euro eingetreten. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass das Fahrzeug nicht unerheblich beschädigt wurde (Reparaturkosten: 3.958,03 Euro) und nunmehr den Makel eines Unfallwagens hat. Dieser Makel bleibt dem Fahrzeug erhalten, auch wenn es vollständig repariert wird und wirkt sich somit auf den Kaufpreis aus. Dies gilt auch bei Fahrzeugen, die bereits älter sind bzw. eine höhere Laufleistung aufweisen. Denn grundsätzlich verliert ein Fahrzeug durch einen offenbarungspflichtigen Unfallschaden immer an Wert, da ein solches Fahrzeug gegenüber einem unfallfreien Fahrzeug einen Nachteil aufweist.“

Kfz-Haftpflichtversicherer unterliegt vor Amtsgericht Rheine

Bei einem Verkehrsunfall in Rheine ist das Fahrzeug der Geschädigten beschädigt worden. Sie hat ein Kfz-Schadengutachten in Auftrag gegeben und auf Grundlage der Schadenfeststellung des Gutachters eine Reparatur in Auftrag gegeben.

Es folgt, was zur Zeit immer folgt: Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers kürzt die berechtigten Schadensersatzansprüche der Geschädigten. Zudem meint er, die vom Gutachter ermittelte Wertminderung des Fahrzeugs sei überhöht.

Mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN hat die Geschädigte Klage erhoben. Das Amtsgericht Rheine hat die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung zur vollständigen Zahlung verurteilt.

Hier einige Auszüge aus dem Urteil des AG Rheine vom 24.09.2019 (Az.: 10 C 177/19):

„Im Rahmen der subjektbezogenen Schadenbetrachtung liegen die Darlegungslast sowie gegebenenfalls der Beweis der Erforderlichkeit auf Seiten des Geschädigten. Dieser Darlegungslast hat die Klägerin genügt.

Der Geschädigte kann seiner Darlegungslast durch die Vorlage einer Rechnung nachkommen, wodurch der Schädiger sich nicht auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen kann, um die Schadenshöhe in Zweifel zu ziehen. Lässt die Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dabei ist nicht der vom Sachverständigen ausgewiesene Rechnungsbetrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand Anhaltspunkt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.“

Das Gericht hat offengelassen, ob nur der bezahlten Rechnung eine Indizwirkung zukommt, weil die Geschädigte vorgerichtlich bereits den offenen Restbetrag der Reparaturkosten selbst bezahlt und dem Gericht die Zahlung nachgewiesen hatte. Auch die Tatsache, dass die Geschädigte den Restbetrag erst nach Vorlage eines sog. „Prüfberichts“ gezahlt hatte, schadete nicht. Dazu das AG Rheine:

„Die Klägerin musste auch nicht wegen der auf den Prüfbericht gestützten Regulierungsverweigerung des Beklagten die Richtigkeit der Rechnung in Frage stellen, zumal sie vorher ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eingeholt hatte, das dieselben Kosten ausweist, wie in der Rechnung aufgeführt. Auch ist es nicht Aufgabe […] der Klägerin, sich auf eine möglicherweise aufwendige Auseinandersetzung mit der Reparaturwerkstatt wegen eines relativ geringen Teils (vorliegend weniger als 1 %) der Rechnung einzulassen.“  

Zur Wertminderung heißt es:

„Die Höhe der Wertminderung ist nach § 287 ZPO vom Tatrichter frei zu schätzen, wobei es keine allgemein anerkannte Schätzungsmethode gibt. Zwar wird in der Praxis überwiegend die Methode nach Ruhkopf/Sahm angewendet. Den besonderen Bedingungen des Einzelfalls ist jedoch Rechnung zu tragen. Daher dürfte einer fundiert begründeten, auf Grundlage der besonderen Einzelfallumstände getroffenen Schätzung des merkantilen Minderwerts durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Kfz-Sachverständigen gegenüber lediglich tabellarischen Berechnungsmethoden der Vorzug zu geben sein, da nur in diesem Fall sämtliche relevante Kriterien wie Fahrleistung, Alter und Zustand des Unfallfahrzeugs, Art des Schadens, gegebenenfalls Vorschäden, Anzahl der Vorbesitzer und evtl. Wertverbesserungen durch die Reparatur sowie die konjunkturelle Lage auf dem Automarkt jeweils mit dem für den Einzelfall maßgeblichen Gewicht angemessen berücksichtigt werden können. […] Berücksichtigung fand bei der Ermittlung des Minderwertes u. a. auch das Wertminderungsmodell des BVSK. Die Berücksichtigung einer solchen Berechnungsmethode ist zulässig. Insbesondere hat der beauftragte Sachverständige jedoch, im Vergleich zum Beklagten, der sich auf die Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) stützt, das Fahrzeug auch konkret in Augenschein genommen und nach seiner sachverständigen Einschätzung überprüft. Anhaltspunkte, an den Feststellung des Sachverständigen zu zweifeln bzw. berechtigte Einwände zur Feststellung des merkantilen Minderwertes waren nicht ersichtlich.“