Im Zuge der Insolvenz eines etablierten Automobilzulieferers mit Standorten in Lüdenscheid und Ibbenbüren kam es zu einem arbeitsrechtlichen Konflikt: Ein langjähriger Mitarbeiter – vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN – wehrte sich erfolgreich gegen seine betriebsbedingte Kündigung.
Über das Vermögen des Unternehmens, das seit Jahrzehnten Kunststoff- und Metallkomponenten für den Innen- und Außenbereich von Fahrzeugen herstellt, ist im Januar 2025 nach einem Eigenantrag das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Maschinenbediener, seit 1998 im Werk Ibbenbüren beschäftigt, erhielt noch am Tag der Verfahrenseröffnung seine Kündigung zum 30.04.2025. Er erhob Kündigungsschutzklage und beantragte zugleich seine Weiterbeschäftigung.
Das Arbeitsgericht Rheine (Urteil vom 26.05.2025, Az.: 2 Ca 196/25) gab dem Kündigungsschutzantrag des Klägers nun in erster Instanz Recht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Nach Auffassung des Gerichts ist die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt und daher unwirksam (§ 1 KSchG). Zwar gelten im Insolvenzverfahren vereinfachte Prüfungsmaßstäbe für die Sozialauswahl (§ 125 InsO), insbesondere wird sie nur auf grobe Fehler überprüft. Doch selbst diesem reduzierten Maßstab hielt die Auswahl des Insolvenzverwalters nicht stand.
Das Kernproblem war: Der Kläger wurde überhaupt keiner Vergleichsgruppe zugeordnet. Die Auswahlentscheidung beruhte auf der Annahme, der Kläger sei wegen längerer krankheitsbedingter Abwesenheit nicht mehr einsetzbar – ohne diese Einschätzung konkret zu begründen. Eine nachvollziehbare Abwägung sozialer Kriterien wie Lebensalter, Betriebszugehörigkeit oder Unterhaltspflichten fehlte gänzlich.
Das Gericht stellte fest, dass bei vollständig fehlender Sozialauswahl eine tatsächliche Vermutung für die Sozialwidrigkeit der Kündigung besteht. Diese kann nur durch substantiierte Auskunft des Arbeitgebers widerlegt werden – eine Pflicht, der der Insolvenzverwalter nicht nachkam. Pauschale Hinweise auf angebliche Inkompatibilität des Klägers mit den neuen Betriebsabläufen reichten nicht aus. Die bloße Behauptung, eine Einarbeitung sei wirtschaftlich unzumutbar, überzeugte das Gericht ebenso wenig.
Nach Auffassung des Gerichts bleibt die Bildung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen auch im Insolvenzverfahren zwingend. Selbst wenn Anlerntätigkeiten betroffen sind, ist eine Austauschbarkeit regelmäßig anzunehmen, insbesondere bei langjährig Beschäftigten mit breiter Betriebserfahrung.
Fazit: Die Insolvenz erleichtert Kündigungen. Sie ersetzt aber keine Sorgfalt. Zwar bietet § 125 InsO dem Insolvenzverwalter Erleichterungen bei betriebsbedingten Kündigungen, insbesondere durch die reduzierte Prüfungsdichte. Doch diese entbindet nicht von der Pflicht zur transparenten und nachvollziehbaren Sozialauswahl. Die richterliche Kontrolle bleibt – und sei es nur auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt – bestehen.
Nach aktuellen Presseinformationen aus dem Umfeld des Unternehmens steht bereits in Kürze eine zweite Kündigungswelle bevor, von der rund 180 Beschäftigte betroffen sein könnten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von einer Kündigung betroffen sind oder sich zu ihren Rechten im Insolvenzverfahren beraten lassen möchten, können sich gerne an meine Kanzlei wenden.