Amtsgericht Rheine zu Verweis auf günstigere Werkstatt und Wertminderung bei hoher Laufleistung

Die Geschädigte eines unverschuldeten Verkehrsunfalls rechnete die bestehenden Schadensersatzansprüche fiktiv, d. h. auf Basis eines von ihr eingeholten Kfz-Schadengutachtens ab.

Der Gutachter ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 3.958,03 € netto sowie eine Wertminderung von 100,00 €. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls 5 Jahre alt und hatte eine Laufleistung von ca. 189.000 km. Es war durchgängig und nachweisbar durchgehend in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden.

Der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer regulierte nur einen Teilbetrag der Reparaturkosten unter Hinweis auf einen sog. „Prüfbericht“. Die Zahlung einer Wertminderung lehnte er ganz ab.

Die Geschädigte klagte und bekam vor dem Amtsgericht Rheine vollständig die restlichen Schadensersatzansprüche zugesprochen (Urteil vom 20.07.2021, Az.: 14 C 55/21).

Die Begründung war kurz und knackig:

„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der fiktiven Reparaturkosten gemäß Schadengutachten der […] vom […]. In diesem Schadengutachten hat die […] die Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten und UPE-Aufschlage des Autohauses […] zugrunde gelegt. Dieses ist nicht zu beanstanden, da die Klägerin nachweislich ihr Fahrzeug bisher regelmäßig in dieser Markenwerkstatt gewartet hat. Dies hat der Sachverständige […] mit Schreiben vom 13.12.2019 bestätigt. Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf die Stundenverrechnungssätze und Materialkosten dieses Autohauses und kann nicht auf günstigere freie Werkstätten verwiesen werden.

Durch den Verkehrsunfall ist außerdem eine Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 100,00 Euro eingetreten. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass das Fahrzeug nicht unerheblich beschädigt wurde (Reparaturkosten: 3.958,03 Euro) und nunmehr den Makel eines Unfallwagens hat. Dieser Makel bleibt dem Fahrzeug erhalten, auch wenn es vollständig repariert wird und wirkt sich somit auf den Kaufpreis aus. Dies gilt auch bei Fahrzeugen, die bereits älter sind bzw. eine höhere Laufleistung aufweisen. Denn grundsätzlich verliert ein Fahrzeug durch einen offenbarungspflichtigen Unfallschaden immer an Wert, da ein solches Fahrzeug gegenüber einem unfallfreien Fahrzeug einen Nachteil aufweist.“

Amtsgericht Münster entscheidet über Mietwagenkosten

Für einen Unfallgeschädigten hat die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN restliche Schadenersatzansprüche aus einem unverschuldeten Verkehrsunfall eingeklagt. Es handelte sich um Mietwagenkosten, welche die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung im Rahmen der Schadenregulierung gekürzt hat.

Vollkommen überraschend hat das Gericht in seinem Urteil die Ansprüche des Geschädigten verneint und die Klage abgewiesen. Aus den Urteilsgründen war aber schnell erkennbar, dass das Gericht von einem falschen Tarif ausgegangen war. Das Gericht errechnete die Mietwagenkosten auf Basis des Wochentarifs, obwohl ein Mietwagen nur für zwei Tage in Anspruch genommen wurde. Das führt selbstverständlich zu anderen Werten. Richtigerweise war der Mietpreis auf Basis des zweifachen Tagestarifs zu ermitteln.

Auf eine Gehörsrüge und nach einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Münster hat sich das Amtsgericht sodann selbst korrigiert und die beklagte Versicherung zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten verurteilt. Das Gericht ging in der Urteilsbegründung von der sog. Mittelwertrechtsprechung aus und zog trotz lediglich kurzzeitiger Anmietung wegen klassengleicher Anmietung sodann einen Betrag in Höhe von 10 % für ersparte Eigenaufwendungen ab (AG Münster, Urteil vom 25.06.2021, Az.: 60 C 3184/20).

Fazit: Zunächst ist anzuerkennen, dass das Amtsgericht Münster seinen Fehler eingestanden und das Urteil korrigiert hat. Sodann ist festzuhalten, dass der Weg manchmal steinig ist bzw. man kommt nur auf Umwegen an sein Ziel kommt. Fest steht aber, dass der Geschädigte ohne anwaltliche Hilfe seine Mietwagenkosten jedenfalls zum Teil selbst hätte zahlen müssen.

Amtsgericht Ibbenbüren äußert sich zu coronabedingten Reinigungskosten

Verkehrsunfälle ereignen sich auch während einer Pandemie. In diesem Fall ging es um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 25.08.2020.

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ließ sein beschädigtes Fahrzeug durch ein Kfz-Sachverständigenbüro begutachten und anschließend nach Maßgabe dieses Gutachtens durch seine Kfz-Werkstatt reparieren. Die Werkstatt stellte ihm neben den Reparaturkosten auch Kosten für Schutzmaßnahmen wegen des Corona-Virus in Rechnung. Die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers war nicht bereit, diese Kosten zu übernehmen.

Das Amtsgericht Ibbenbüren verurteilte den Kfz-Versicherer zur Übernahme von coronabedingten Reinigungs- und Desinfektionskosten, die vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Kunden entstanden sind (Urteil vom 03.03.2021 (Az.: 3 C 374/20).

Die Besonderheit dieses Falls liegt darin, dass sowohl Kfz-Schadengutachten als auch Reparaturrechnung der Werkstatt Reinigungskosten bei Annahme des Fahrzeugs durch die Werkstatt und Rückgabe des Fahrzeugs nach erfolgter Reparatur vorsahen. Das Amtsgericht Ibbenbüren steht auf dem Standpunkt, dass nur die Schutzmaßnahmen vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Kunden ersatzfähig sind, weil es sich um Kosten handelt, die aufgrund der derzeitigen Lage und der daraus resultierenden Notwendigkeit der gründlichen Desinfektion bei der Werkstatt für die vom Geschädigten beauftragte und vom Schädiger verursachte Reparatur anfallen. Demgegenüber sollen Kosten für die Schutzmaßnahmen bei Annahme des Fahrzeugs durch die Werkstatt als reine Arbeitsschutzmaßnahme den Allgemeinkosten der Werkstatt unterfallen. Mit dieser Desinfektion werde nicht der Geschädigte geschützt, sondern ausschließlich die Mitarbeiter der Werkstatt, so das Gericht.

Eine Absage erteilte das Amtsgericht Ibbenbüren den Versuchen der Kfz-Haftpflichtversicherung den Eindruck zu erwecken, dass der Geschädigte im Falle eines Unterliegens im Rechtsstreit von seiner Werkstatt ohnehin nicht in Anspruch genommen werde und daher auch kein Zahlungsanspruch bestehe. Dieser Behauptung „in’s Blaue“ hinein folgte das Gericht nicht.

Hinweis auf günstigeren Mietwagen nach erfolgter Anmietung

Regelmäßig kürzen Kfz-Haftpflichtversicherer die berechtigten Schadensersatzansprüche von Geschädigten nach einem Verkehrsunfall.

Auch in diesem Fall war die Geschädigte nach erfolgter Teilregulierung durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers gezwungen, ihre offenen Restansprüche mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN einzuklagen.

Das Amtsgericht Rheine verurteilte die Kfz-Haftpflichtversicherung mit Urteil vom 09.02.2021 (Az.: 14 C 201/20) zur Zahlung restlicher Schadensersatzansprüche. Die gegen die Klage vorgebrachten Argumente ließ das AG Rheine nicht geltend.

Die Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz der vollständigen Verbringungs- und Mietwagenkosten. Im Urteil heißt es:

„Maßgeblich für die Höhe des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens sind die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, wenn der Geschädigte seine Obliegenheit zur Schadenminderung nicht verletzt hat. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, dass vorliegend die Verbringungskosten übersetzt, nicht ortsüblich und nicht angemessen sind. Denn der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, gegen ihre Schadenminderungspflichten gemäß § 254 BGB verstoßen zu haben. Die Klägerin hatte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Höhe des Schadens eingeholt. In diesem Gutachten wurden die Kosten der Fahrzeugverbringung mit 135,00 € netto angesetzt. Die Klägerin durfte daher darauf vertrauen, dass die Feststellungen des Sachverständigen richtig sind und infolgedessen eine entsprechende Reparatur in Auftrag geben.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Mietwagenkosten […]. Die Beklagte hat es nicht nachzuweisen vermocht, dass sie der Klägerin ein günstigeres Mietwagenangebot gemacht hat, noch bevor die Klägerin einen Mietwagen […] angemietet hatte.“

Coronabedingte Verzögerung der Fahrzeugreparatur geht zu Lasten des Schädigers

Am 16.03.2020 fuhren Bund und Länder das öffentliche Leben coronabedingt herunter. Deutschland befand sich im ersten Lockdown.

Am 31.03.2020 ereignete sich auf der A 2 bei Magdeburg ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Geschädigten, ein BMW, erheblich beschädigt wurde. Trotz erheblicher Bemühungen gelang es nur schwer, einen Reparaturtermin in einer Markenwerkstatt zu vereinbaren. Zwei Werkstätten nahmen den Auftrag gar nicht erst an, eine weitere Markenwerkstatt war zwar zur Reparatur bereit. Coronabedingt dauerte es aber länger.

Die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung lehnte die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für 33 Tage ab und erkannte nur 19 Tage an. Der Restbetrag ist durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN gerichtlich geltend gemacht worden.

Das örtlich zuständige Amtsgericht Burg gab nun dem Kläger recht. Mit Urteil vom 28.01.2021 (Az.: 3 C 398/20) verurteilte es den Haftpflichtversicherer zur Zahlung der restlichen Nutzungsentschädigung sowie weiterer Schadenpositionen.

Der Kläger habe das Fahrzeug direkt nach Vorlage des Gutachtens in die Werkstatt gegeben, die eine zeitnahe Reparatur in Aussicht gestellt habe. Anfang April war wegen der Osterfeiertage und insbesondere der Corona-Regelungen in keiner Werkstatt ein normales Arbeiten mehr möglich. Zu welchen Verzögerungen es kommt, konnte der Kläger nicht voraussehen, so dass er auch eine Notreparatur nicht in Erwägung ziehen musste. Zudem habe bereits der Kfz-Sachverständige im Kfz-Schadengutachten darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Reparaturdauer zu coronabedingten Verzögerungen kommen könnte. Ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht sei nicht zu erkennen.

Am Rande hatte sich das Gericht noch mit gekürzten Verbringungskosten zu beschäftigen. Im Kfz-Schadengutachten waren Verbringungskosten von 138,00 € kalkuliert. Somit bestand für den Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung dieses von der Werkstatt berechneten Betrages.

Die Wertminderung von 300,00 € war nach Auffassung des Gerichts von der Versicherung ebenfalls zu Unrecht gekürzt worden. Bei einem acht Jahre alten BMW mit Dieselmotor und 141.000 km Laufleistung handelt es sich um ein marktgängiges Fahrzeug, bei dem sich auch die Unfallfreiheit noch im Verkaufspreis auswirkt. Daher hat ein solches Fahrzeug nach einer Reparatur noch einen merkantilen Minderwert. Diesen Schaden hatte die Beklagte ebenfalls zu tragen.

Fiktive Abrechnung nach Verkehrsunfall

Für einen Unfallgeschädigten hat die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht.

Der Geschädigte hat sich dazu entschlossen, das Fahrzeug nicht reparieren zu lassen. Stattdessen erfolgte – was üblich und möglich ist – eine fiktive Abrechnung auf Basis des Kfz-Schadengutachtens.

Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer mit Sitz in Münster regulierte einen Teilbetrag und meinte im Übrigen, dass Schadenpositionen, wie UPE-Aufschläge, Verbringungskosten, Beilackierungskosten und die sog. Kleinteilepauschale nur zu ersetzen seien, wenn auch tatsächlich repariert wird.

Der Hinweis darauf, dass der Bundesgerichtshof dies anders sieht, verhallte ungehört. Dieser hat zuletzt mit Urteil vom 25.09.2018 (Az.: VI ZR 65/18) seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach Ersatzteilaufschläge und Verbringungskosten erstattungsfähig sind, wenn sie bei einer Reparatur in der ortsansässigen Fachwerkstatt anfallen würden. Auf die Frage, ob sie tatsächlich „angefallen“ oder „nicht angefallen“ sind, kommt es nicht an (ständige Rspr., vgl. auch BGH, Urteil vom 19.02.2013, Az.: VI ZR 401/12). Gleiches gilt für Beilackierungskosten, also Lackierarbeiten zur Angleichung des Farbtons an die Umgebungslackierung (BGH, Urteil vom 17.09.2019, Az.: VI ZR 396/18).

Unter Hinweis auf diese schadensersatzrechtlichen Grundsätze hat das Amtsgericht Tecklenburg den Kfz-Haftpflichtversicherer nun mit Urteil vom 07.01.2021 (Az.: 13 C 209/19) zur Zahlung offener Restbeträge verurteilt.

Praxistipp: Die Abwicklung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall gehört in die Hände eines erfahrenen Fachanwalts für Verkehrsrecht.

Amtsgericht Herne verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zu Schadensersatz

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ die durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN vertretene Geschädigte ihr beschädigtes Kraftfahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Die Reparaturdauer wies sie mit Hilfe eines Reparaturablaufplans der Werkstatt nach.

Dem Kfz-Versicherer reichten diese Angaben nicht. Er nörgelte herum, dass die Kfz-Werkstatt sich zu viel Zeit gelassen habe und die Geschädigte das Fahrzeug später in die Werkstatt hätte bringen und früher aus der Werkstatt hätte abholen müssen.

Das sah das Amtsgericht Herne anders und verurteilte die Kfz-Haftpflichtversicherung mit Urteil vom 07.10.2020 (Az.: 34 C 57/20) zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die volle Reparaturdauer.

Kurz und knackig heißt es in der Urteilsbegründung: „Das Risiko einer Verzögerung trägt der Schädiger. […] Insbesondere der Vortrag der Beklagten, es hätte auch eine Verbringung zur Werkstatt kurz vor Toresschluss und eine Abholung am frühen Morgen vorgelegen haben könne, ist eine Behauptung ins Blaue hinein. […] Indem die Klägerin vorgetragen hat, dass sie den Pkw vor dem Unfall täglich nutzte und ihr auch kein Fahrzeug eines Familienangehörigen durchgängig zur Verfügung stand, ist sie ihrer Darlegungslast ausreichend nachgekommen.“

AG Ibbenbüren verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten

Amtsgericht Ibbenbüren

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ die Geschädigte ihr Kraftfahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Da sie auf ein Kraftfahrzeug angewiesen war, mietete sie während der Zeit der Reparatur ein Ersatzfahrzeug.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die als Schadensersatz geltend gemachten Mietwagenkosten und rügte den Mietwagen als zu teuer.

Das Amtsgericht Ibbenbüren (Az.: 30 C 462/19) sah das anders. Es verurteilte den Kfz-Versicherer mit Urteil vom 08.10.2020 zur Zahlung der offenen Restbeträge.

Da unfallbedingte Besonderheiten nicht vorgetragen wurden, schätzte das AG Ibbenbüren die Erforderlichkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Hamm nach dem Mittelwert zwischen Schwacke-Automietpreisspiel und Fraunhofer-Erhebung – in der Schadenbranche auch „Fracke“ genannt.

Bei den Einzelwerten orientierte sich das Gericht korrekterweise am „Modus“ des Schwacke-Automietpreisspiegels. Der Modus ist der Wert, der im Rahmen der Datenermittlung durch Schwacke am häufigsten genannt wurde und somit dem in der Praxis genannten Mietpreis am nächsten kommt. Insofern besteht eine Divergenz zur Rechtsprechung der Abteilung 3 C des AG Ibbenbüren, welche sich schon innerhalb des Schwacke-Automietpreisspiegels am arithmetischen Mittel orientiert (zuletzt im Urteil vom 19.06.2020, Az.: 30 C 462/19).

Screenshots von Internetseiten der großen Autovermieter, wie sie von Versicherungsanwälten im Prozess gerne vorgelegt werden, erteilte das AG Ibbenbüren eine klare Absage. Daraus ergebe sich nicht, dass ein Fahrzeug einer bestimmten Fahrzeugklasse am relevanten Anmiettag zu dem behaupteten Endpreis konkret verfügbar gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Versicherers musste sich die Geschädigte im Wege der Vorteilsausgleichung auch keine ersparten Eigenaufwendungen anrechnen lassen, weil sie ein Fahrzeug einer niedrigeren Mietwagengruppe angemietet hat. Ein Abzug ersparter Eigenaufwendungen hätte in diesem Fall zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers geführt.  

Amtsgericht Rheine verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung restlicher Schadensersatzansprüche aus fiktiver Abrechnung

Der Geschädigte hat sein Fahrzeug nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall selbst repariert und die bestehenden Schadensersatzansprüche fiktiv auf Basis des Kfz-Schadengutachtens geltend gemacht.

Der regionale Versicherer aus Münster regulierte einen erheblichen Teilbetrag. Im Übrigen verwies er darauf, dass UPE-Aufschläge, Verbringungskosten und Kosten für die Beilackierung nur bezahlt werden, wenn das Unfallfahrzeug tatsächlich in einer Fachwerkstatt repariert wird.

Die Diskussion darüber, welche Schadenpostionen im Rahmen der fiktiven Abrechnung geltend gemacht werden können, hat der Bundesgerichtshof zuletzt mit Urteil vom 17.09.2019 (Az.: VI ZR 396/18) geklärt. Das scheint es sich noch nicht bis in alle Versicherungskreise herumgesprochen zu haben. Jedenfalls war eine Klage vor dem Amtsgericht in Rheine notwendig.

Das AG Rheine hat jetzt mit Urteil vom 31.08.2020 (Az.: 10 C 30/20) deutlich gemacht, was es von den Kürzungen durch den Kfz-Versicherer hält: Nichts! In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung verurteilte es die Versicherung zur Zahlung der offenen Restbeträge.

Der Geschädigte durfte sich auf das Kfz-Schadengutachten eines von der IHK Nordrhein-Westfalen öffentlich bestellten Sachverständigen verlassen. Darin waren sämtliche Schadenpositionen explizit aufgeführt. Sie wären also im Falle einer Reparatur angefallen und sind deshalb – mit Ausnahme der Umsatzsteuer – auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung zu ersetzen.

Das Gericht schloss sich den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Kfz-Sachverständigen an. Die vorgebrachten Einwände auf Basis eines sog. „Prüfberichts“ eines einschlägigen Kürzungsdienstleisters erkannte das Gericht nicht an, weil die Beklagte der ihr obliegenden Darlegungslast, dass der vorgetragene Reparaturaufwand nicht erforderlich sei, nicht durch einen bloßen Verweis auf einen mittels künstlicher Intelligenz erstellten Prüfbericht nicht nachkommen könne.

Auch die Arbeitslohn-Abzüge hielt das Gericht für unzulässig. Bei einer fiktiven Schadenabrechnung darf der Geschädigte die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (in Übereinstimmung mit LG Münster, Urteil vom 08.05.2018, Az.: 3 S 139/17). Den Einwand, bei einer Reparatur in Eigenregie seien nur geringe Kosten angefallen, ließ das AG Rheine nicht gelten.

Amtsgericht Osnabrück bestätigt volle Haftung des Ausparkenden bei Parkplatzunfall

Für einen Unfallgeschädigten machte die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN restliche Schadensersatzansprüche vor dem Amtsgericht Osnabrück geltend.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Beide Parteien befanden sich mit ihren Fahrzeugen auf dem Gelände einer Waschanlage in Osnabrück. Die Parkplätze waren schräg angeordnet. Die Fahrzeuge standen einander gegenüber. Als der Kläger sein Fahrzeug ausgesaugt hatte, stieg er ein und fuhr rückwärts aus der Parklücke. Als er sich bereits in der Fahrgasse befand und im Begriff war, vorwärts wegzufahren, parkte auch der Beklagte aus. Es kam zur Kollision.

Die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte auf Basis einer Haftungsquote von 50 % und berief sich im Übrigen darauf, dass der Verkehrsunfall aufgrund der Parkplatzsituation für beide Beteiligten nicht unvermeidbar war.

Durch Zeugenaussagen und ein gerichtliches Sachverständigengutachten konnte nachgewiesen werden, dass das Fahrzeug des Klägers nicht mehr ausparkte, als es zur Kollision kam. Vielmehr befand es sich nach den Feststellungen des Sachverständigen bereits in der Fahrgasse zwischen den Parkplätzen.

In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verurteilte das Amtsgericht Osnabrück den Beklagten zur Zahlung restlicher Schadenersatzansprüche nach einer Haftungsquote von 100 % (AG Osnabrück, Urteil vom 07.07.2020, Az.: 15 C 2925/19 (11)).

Nach Auffassung des Gerichts sprach bereits der Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß des Beklagten gegen verkehrsrechtliche Vorschriften (§§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 StVO), weshalb die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zum Unfallzeitpunkt deutlich erhöht war.

Nach § 9 Abs. 5 StVO muss sich der Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Vorschrift ist auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter zwar nicht unmittelbar anwendbar, mittelbare Bedeut8ung erlangt sie aber über § 1 StVO (BGH, Urteil vom 15.12.2015, Az.: VI ZR 6/15; Urteil vom 11.10.2016, Az.: VI ZR 66/16).

Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann (BGH, a. a. O.). Dabei spricht gegen den Rückwärtsfahrenden auch bei dem Ausparken auf Parkplätzen ein Anscheinsbeweis der schuldhaften Unfallverursachung (BGH, a. a. O.)  Hinzu kam, dass der Beklagte im Rechtsstreit eingeräumt hat, sich lediglich mittels der Spiegel und nicht über einen Schulterblick nach hinten vergewissert zu haben. Daher sprach bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er seinen Sorgfaltspflichten aus §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist.

Demgegenüber war dem Kläger kein Verkehrsverstoß zur Last zu legen. Er hat – gutachterlich bestätigt – angegeben, dass sein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits stand. Nach den Feststellungen des Sachverständigen bestand zudem eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass er sich bereits in einer Fahrbewegung nach vorne befunden hat.

Im Ergebnis standen sich durch den Verstoß des Beklagten gegen §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 StVO eine deutlich erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs sowie eine einfache Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs gegenüber. Im Rahmen der Abwägung gelangte das AG Osnabrück zu dem Ergebnis, dass der Verkehrsunfall für den Beklagten vollständig vermeidbar gewesen wäre, wenn er die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten hätte. Denn beim Zurücksetzen muss die Gefahrdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden. Demgegenüber war der Verkehrsunfall für den Kläger nicht vermeidbar, weil er keine Zeit hatte, unfallverhütend zu reagieren. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs trete daher vollständig hinter der des Beklagtenfahrzeugs zurück – so das Gericht.

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls die Regulierung der entstandenen Schäden nicht selbst in die Hand nehmen sollte. Besser ist es, von Anfang an einen verkehrsrechtlich spezialisierten Rechtsanwalt mit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen zu beauftragen.

Die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN berät und vertritt bundesweit Geschädigte nach Verkehrsunfällen. Sprechen Sie uns gerne an!