Amtsgericht Dortmund: Reinigungskosten sind zu erstatten

In einem Rechtsstreit über restliche Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall hat das Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom 02.02.2022 (Az.: 404 C 8219/21), dass dem Geschädigten auch die Reinigungskosten nach erfolgter Reparatur sowie coronabedingte Desinfektionskosten zu ersetzen sind, welche die Kfz-Werkstatt im Rahmen der Reparatur des Fahrzeugs berechnet hat.

Der Geschädigt hatte ein Kfz-Schadengutachten in Auftrag gegeben. Im Gutachten war die Schadenpositionen der Fahrzeugreinigung nach Lackierung sowie coronabedingte Reinigungskosten aufgeführt.

Die Beklagte bestritt die Notwendigkeit einer Fahrzeugreinigung nach erfolgter Reparatur. Insbesondere die Beseitigung von Kleberesten, Lackierstaub und reparaturbedingten Verschmutzungen sei nicht erforderlich gewesen. Die Fahrzeugdesinfektion sei als Serviceleistung kostenlos durchzuführen.

Das Amtsgericht Dortmund verurteilte die Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung restlichen Schadensersatzes.

Im Urteil heißt es: „Der Kläger durfte sich darauf verlassen, dass diese Kosten im Gutachten zu Recht aufgeführt waren und zur Zeit der Durchführung der Reparatur als notwendig angesehen wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass sich dem Kläger bei der Beauftragung der Werkstatt aufdrängen musste, dass eine Desinfektion unnötig sei. Warum der Kläger hier klüger sein soll als der Sachverständige, ist nicht nachvollziehbar.“

Amtsgericht Rheine: Coronabedingte Desinfektionskosten sind zu erstatten

Fallen im Rahmen der Reparatur eines Unfallfahrzeugs coronabedingte Reinigungskosten der Kfz-Werkstatt an, sind diese Kosten nach Auffassung des Amtsgerichts Rheine (Urteil vom 19.01.2022, Az.: 10 C 187/21) dem Geschädigten zu ersetzen.

Im Urteil heißt es:

„Es sind auch die Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion zu erstatten. Eine solche ist in Zeiten der Corona-Pandemie nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs, die ein Berühren des Fahrzeuges durch Dritte erfordert, notwendig. Nach derzeitigem Stand ist eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen, da vermehrungsfähige SARS-COV-2Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben.“

Den insoweit geltend gemachten Schadensersatzbetrag von 59,50 € für Material und Arbeitseinsatz hielt das AG Rheine für angemessen.

Amtsgericht Nordhorn: Verbringungskosten und Covid-19-Desinfektionskosten sind erstattungsfähig

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall in Nordhorn hat der Geschädigte ein Kfz-Schadengutachten in Auftrag gegeben, um den Schaden an seinem Fahrzeug feststellen zu lassen. Auf Grundlage der Schadenfeststellung des Gutachters hat er eine Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt in Auftrag gegeben.

Wie so häufig kürzte der auf Schadenersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer die berechtigten Schadensersatzansprüche des Geschädigten, so dass die Restforderung vor dem Amtsgericht Nordhorn gerichtlich geltend gemacht werden musste.

In diesem Rechtsstreit ging es um restliche Schadensersatzansprüche in Form von Verbringungskosten, also den Transportkosten zwischen Werkstatt und Lackiererei, sowie notwendige Kosten für Desinfektionsmaßnahmen in Folge der Covid-19-Pandemie.

Mit Urteil vom 12.01.2022 (Az.: 3 C 776/21) verurteilte das AG Nordhorn den Kfz-Versicherer zur Zahlung der offenen Beträge.

Im Urteil heißt es:

„Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen hat der Schädiger das Risiko einer fehlerhaften oder unangemessenen Reparatur der vom Geschädigten beauftragten Werkstatt zu tragen. Zwar darf der Geschädigte das Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens nicht ausblenden. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit i. S d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten gegeben hat, kann ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten nicht zum Nachteil gereichen. Es liefe dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zuwider, wenn dem Geschädigten die Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung zur Last gelegt würden, obwohl deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und auf ein von ihm nicht kontrollierbares Verhalten der Werkstatt beruht. […]

Im Streitfall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Schadens eingeholt hat. Auf die Richtigkeit eines solchen Gutachtens darf der Geschädigte i. d. R. vertrauen, soweit nicht ein vor Reparaturbeginn vorgelegtes Gegengutachten ernsthafte Zweifel erweckt.

Nach diesen Maßstäben sind die Verbringungs- und Hygienekosten ersatzfähig. Die angegriffenen Positionen sind sowohl im Gutachten als auch in der Reparaturrechnung aufgeführt; die prognostizierten und abgerechneten Kosten stimmen überein. Der Einwand der Beklagten, die Verbringungs- und Desinfektionskosten seien nicht erforderlich, ist mithin unerheblich. […]

Ungeachtet dessen bestehen keine Zweifel daran, dass die Hygienekosten adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen sind. In Zeiten einer globalen Pandemie ist für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, dass seitens der Werkstatt besondere Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden mussten. […]“

Der Geschädigte musste lediglich zugestehen, dass dem Versicherer eine Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche des Versicherers gegen die Werkstatt eingeräumt wurde.

Kfz-Haftpflichtversicherer „kneift“ vor Berufungsurteil

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall gab der Geschädigte das Unfallfahrzeug bei der Kfz-Werkstatt seines Vertrauens in Reparatur und mietete sich für die Ausfalldauer von fünf Tagen ein Ersatzfahrzeug an.

Der in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer regulierte nur einen Teil der Schadensersatzansprüche und kürzte die geltend gemachten Mietwagenkosten. Er hielt einen Tagesmietpreis von 30,00 € für angemessen.

Der Geschädigte war damit nicht einverstanden und erhob – beraten durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN – Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Lünen. Gegenstand der Klage waren restliche Schadensersatzansprüche (Mietwagenkosten).

Der beklagte Versicherer behauptete zunächst, dass dem Geschädigten in einem Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Versicherung vor Abschluss des streitgegenständlichen Mietvertrages ein günstigerer Mietwagen angeboten wurde. Zudem sei der Mietwagen nicht als „Selbstfahrervermietfahrzeug“ zugelassen, so dass es allenfalls als „Werkstattersatzfahrzeug“ anzusehen sei. Die Kosten für ein derartiges Fahrzeug seien wesentlich geringer als diejenigen eines „echten“ Mietwagens.

Mit Urteil vom 17.06.2020 verurteilte das Amtsgericht Lünen (Az.: 7a C 135/19) den Versicherer zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 187,42 €. Den ersatzfähigen Normaltarif ermittelte das Gericht – entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund – auf Basis der sog. Mittelwertrechtsprechung, also dem arithmetischen Mittel aus Schwacke-Automietpreisspiegel und Fraunhofer-Erhebung. Die Berechnung ergab, dass die tatsächlich abgerechneten Mietwagenkosten sogar geringfügig unter dem Mittelwert lagen. Somit waren die gekürzten Beträge vollständig nachzuzahlen.

Der Behauptung, es habe ein günstigeres Mietwagenangebot vorgelegen, trat das Gericht entgegen. Nach Auffassung des Gerichts habe die beklagte Versicherung nicht beweisen können, dass tatsächlich ein konkretes, annahmefähiges Angebot unterbreitet wurde. Aus dem von der Versicherung vorgelegten Telefonvermerk ergab sich jedenfalls kein konkretes Angebot. Weitere Beweismittel blieb der Versicherer schuldig.

Ob es sich bei dem Geschädigten angemieteten Ersatzfahrzeug um ein sog. Selbstfahrervermietfahrzeug handelte, war für das Amtsgericht Lünen für die Höhe der zu ersetzenden Mietwagenkosten nicht maßgeblich. Dazu wurde kein Beweis erhoben.

Mit ausführlicher Begründung wies das Gericht darauf hin, dass der Reparaturbetrieb zwar gegen seine versicherungsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen würde, wenn er gewerblich ein Fahrzeug vermieten würde, ohne dies als Selbstfahrervermietfahrzeug zuzulassen. Das habe auf die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen einen Dritten keinen Einfluss. Denn zivilrechtlich seien nach § 249 Abs. 1 BGB Mietwagenkosten vom Schädiger zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.

Im Falle der Anmietung eines Fahrzeugs von einem insoweit gewerbsmäßig handelnden Vermieter, also auch etwa von einem mit der entgeltlichen Gestellung von Reparaturersatzwagen regelmäßig befassten Kfz-Werkstattbetrieb, darf der Geschädigte die hierfür regional üblichen Kosten für notwendig und angemessen halten, die das Gericht anhand der Mittelwertrechtsprechung ermittelte. Da keine konkreten Mietwagenpreise vereinbart wurden, stellen diese Kosten als ortsübliche Miete den ersatzfähigen Schaden dar.

Es kam nach Auffassung des Gerichts auch nicht darauf an, ob der Kläger die Mietwagenrechnung seiner Werkstatt bereits im Vorfeld des Rechtsstreits ausgeglichen hat oder nicht. Er sei nämlich in jedem Fall zur Zahlung des berechtigten Betrages verpflichtet und konnte daher von der eine Zahlung ausdrücklich verweigernden Beklagten nach § 250 S. 2 BGB Ersatz in Geld verlangen.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Lünen legte die beklagte Versicherung Berufung ein. Die zuständige Berufungskammer (22 S 19/20) machte in der Berufungsverhandlung deutlich, dass sie keinen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils habe. Insbesondere sei die Frage der Versicherungseinstufung des Mietwagens nicht relevant für die zivilrechtliche Wirksamkeit des Mietvertrages. Der durchschnittliche Geschädigte mache sich keine Gedanken zur Versicherungspflicht eines Mietwagens. Die Mehrzahl der Unfallgeschädigten dürften mit dem Begriff „Selbstfahrervermietfahrzeug“ nicht einmal etwas anfangen können.

Nach dem Hinweis des Landgerichts, dass es das erstinstanzliche Urteil bestätigen und die Berufung zurückweisen würde, nahm die beklagte Versicherung die Berufung zurück.

Damit ist das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Lünen rechtskräftig. Zu bedauern ist, dass das Landgericht Dortmund nun keine Möglichkeit mehr hat, über den Sachverhalt zu urteilen. Vor dem Hintergrund des Regulierungsverhaltens vieler Kfz-Versicherer wird sich dazu aber sicher bald eine Gelegenheit ergeben.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Lünen auch vor dem Landgericht Dortmund gehalten hätte.

Amtsgericht Münster entscheidet über Mietwagenkosten

Für einen Unfallgeschädigten hat die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN restliche Schadenersatzansprüche aus einem unverschuldeten Verkehrsunfall eingeklagt. Es handelte sich um Mietwagenkosten, welche die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung im Rahmen der Schadenregulierung gekürzt hat.

Vollkommen überraschend hat das Gericht in seinem Urteil die Ansprüche des Geschädigten verneint und die Klage abgewiesen. Aus den Urteilsgründen war aber schnell erkennbar, dass das Gericht von einem falschen Tarif ausgegangen war. Das Gericht errechnete die Mietwagenkosten auf Basis des Wochentarifs, obwohl ein Mietwagen nur für zwei Tage in Anspruch genommen wurde. Das führt selbstverständlich zu anderen Werten. Richtigerweise war der Mietpreis auf Basis des zweifachen Tagestarifs zu ermitteln.

Auf eine Gehörsrüge und nach einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Münster hat sich das Amtsgericht sodann selbst korrigiert und die beklagte Versicherung zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten verurteilt. Das Gericht ging in der Urteilsbegründung von der sog. Mittelwertrechtsprechung aus und zog trotz lediglich kurzzeitiger Anmietung wegen klassengleicher Anmietung sodann einen Betrag in Höhe von 10 % für ersparte Eigenaufwendungen ab (AG Münster, Urteil vom 25.06.2021, Az.: 60 C 3184/20).

Fazit: Zunächst ist anzuerkennen, dass das Amtsgericht Münster seinen Fehler eingestanden und das Urteil korrigiert hat. Sodann ist festzuhalten, dass der Weg manchmal steinig ist bzw. man kommt nur auf Umwegen an sein Ziel kommt. Fest steht aber, dass der Geschädigte ohne anwaltliche Hilfe seine Mietwagenkosten jedenfalls zum Teil selbst hätte zahlen müssen.

Coronabedingte Verzögerung der Fahrzeugreparatur geht zu Lasten des Schädigers

Am 16.03.2020 fuhren Bund und Länder das öffentliche Leben coronabedingt herunter. Deutschland befand sich im ersten Lockdown.

Am 31.03.2020 ereignete sich auf der A 2 bei Magdeburg ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Geschädigten, ein BMW, erheblich beschädigt wurde. Trotz erheblicher Bemühungen gelang es nur schwer, einen Reparaturtermin in einer Markenwerkstatt zu vereinbaren. Zwei Werkstätten nahmen den Auftrag gar nicht erst an, eine weitere Markenwerkstatt war zwar zur Reparatur bereit. Coronabedingt dauerte es aber länger.

Die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung lehnte die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für 33 Tage ab und erkannte nur 19 Tage an. Der Restbetrag ist durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN gerichtlich geltend gemacht worden.

Das örtlich zuständige Amtsgericht Burg gab nun dem Kläger recht. Mit Urteil vom 28.01.2021 (Az.: 3 C 398/20) verurteilte es den Haftpflichtversicherer zur Zahlung der restlichen Nutzungsentschädigung sowie weiterer Schadenpositionen.

Der Kläger habe das Fahrzeug direkt nach Vorlage des Gutachtens in die Werkstatt gegeben, die eine zeitnahe Reparatur in Aussicht gestellt habe. Anfang April war wegen der Osterfeiertage und insbesondere der Corona-Regelungen in keiner Werkstatt ein normales Arbeiten mehr möglich. Zu welchen Verzögerungen es kommt, konnte der Kläger nicht voraussehen, so dass er auch eine Notreparatur nicht in Erwägung ziehen musste. Zudem habe bereits der Kfz-Sachverständige im Kfz-Schadengutachten darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Reparaturdauer zu coronabedingten Verzögerungen kommen könnte. Ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht sei nicht zu erkennen.

Am Rande hatte sich das Gericht noch mit gekürzten Verbringungskosten zu beschäftigen. Im Kfz-Schadengutachten waren Verbringungskosten von 138,00 € kalkuliert. Somit bestand für den Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung dieses von der Werkstatt berechneten Betrages.

Die Wertminderung von 300,00 € war nach Auffassung des Gerichts von der Versicherung ebenfalls zu Unrecht gekürzt worden. Bei einem acht Jahre alten BMW mit Dieselmotor und 141.000 km Laufleistung handelt es sich um ein marktgängiges Fahrzeug, bei dem sich auch die Unfallfreiheit noch im Verkaufspreis auswirkt. Daher hat ein solches Fahrzeug nach einer Reparatur noch einen merkantilen Minderwert. Diesen Schaden hatte die Beklagte ebenfalls zu tragen.

Fiktive Abrechnung nach Verkehrsunfall

Für einen Unfallgeschädigten hat die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht.

Der Geschädigte hat sich dazu entschlossen, das Fahrzeug nicht reparieren zu lassen. Stattdessen erfolgte – was üblich und möglich ist – eine fiktive Abrechnung auf Basis des Kfz-Schadengutachtens.

Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer mit Sitz in Münster regulierte einen Teilbetrag und meinte im Übrigen, dass Schadenpositionen, wie UPE-Aufschläge, Verbringungskosten, Beilackierungskosten und die sog. Kleinteilepauschale nur zu ersetzen seien, wenn auch tatsächlich repariert wird.

Der Hinweis darauf, dass der Bundesgerichtshof dies anders sieht, verhallte ungehört. Dieser hat zuletzt mit Urteil vom 25.09.2018 (Az.: VI ZR 65/18) seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach Ersatzteilaufschläge und Verbringungskosten erstattungsfähig sind, wenn sie bei einer Reparatur in der ortsansässigen Fachwerkstatt anfallen würden. Auf die Frage, ob sie tatsächlich „angefallen“ oder „nicht angefallen“ sind, kommt es nicht an (ständige Rspr., vgl. auch BGH, Urteil vom 19.02.2013, Az.: VI ZR 401/12). Gleiches gilt für Beilackierungskosten, also Lackierarbeiten zur Angleichung des Farbtons an die Umgebungslackierung (BGH, Urteil vom 17.09.2019, Az.: VI ZR 396/18).

Unter Hinweis auf diese schadensersatzrechtlichen Grundsätze hat das Amtsgericht Tecklenburg den Kfz-Haftpflichtversicherer nun mit Urteil vom 07.01.2021 (Az.: 13 C 209/19) zur Zahlung offener Restbeträge verurteilt.

Praxistipp: Die Abwicklung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall gehört in die Hände eines erfahrenen Fachanwalts für Verkehrsrecht.

Amtsgericht Herne verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zu Schadensersatz

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ die durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN vertretene Geschädigte ihr beschädigtes Kraftfahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Die Reparaturdauer wies sie mit Hilfe eines Reparaturablaufplans der Werkstatt nach.

Dem Kfz-Versicherer reichten diese Angaben nicht. Er nörgelte herum, dass die Kfz-Werkstatt sich zu viel Zeit gelassen habe und die Geschädigte das Fahrzeug später in die Werkstatt hätte bringen und früher aus der Werkstatt hätte abholen müssen.

Das sah das Amtsgericht Herne anders und verurteilte die Kfz-Haftpflichtversicherung mit Urteil vom 07.10.2020 (Az.: 34 C 57/20) zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die volle Reparaturdauer.

Kurz und knackig heißt es in der Urteilsbegründung: „Das Risiko einer Verzögerung trägt der Schädiger. […] Insbesondere der Vortrag der Beklagten, es hätte auch eine Verbringung zur Werkstatt kurz vor Toresschluss und eine Abholung am frühen Morgen vorgelegen haben könne, ist eine Behauptung ins Blaue hinein. […] Indem die Klägerin vorgetragen hat, dass sie den Pkw vor dem Unfall täglich nutzte und ihr auch kein Fahrzeug eines Familienangehörigen durchgängig zur Verfügung stand, ist sie ihrer Darlegungslast ausreichend nachgekommen.“

AG Ibbenbüren verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten

Amtsgericht Ibbenbüren

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ die Geschädigte ihr Kraftfahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Da sie auf ein Kraftfahrzeug angewiesen war, mietete sie während der Zeit der Reparatur ein Ersatzfahrzeug.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die als Schadensersatz geltend gemachten Mietwagenkosten und rügte den Mietwagen als zu teuer.

Das Amtsgericht Ibbenbüren (Az.: 30 C 462/19) sah das anders. Es verurteilte den Kfz-Versicherer mit Urteil vom 08.10.2020 zur Zahlung der offenen Restbeträge.

Da unfallbedingte Besonderheiten nicht vorgetragen wurden, schätzte das AG Ibbenbüren die Erforderlichkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Hamm nach dem Mittelwert zwischen Schwacke-Automietpreisspiel und Fraunhofer-Erhebung – in der Schadenbranche auch „Fracke“ genannt.

Bei den Einzelwerten orientierte sich das Gericht korrekterweise am „Modus“ des Schwacke-Automietpreisspiegels. Der Modus ist der Wert, der im Rahmen der Datenermittlung durch Schwacke am häufigsten genannt wurde und somit dem in der Praxis genannten Mietpreis am nächsten kommt. Insofern besteht eine Divergenz zur Rechtsprechung der Abteilung 3 C des AG Ibbenbüren, welche sich schon innerhalb des Schwacke-Automietpreisspiegels am arithmetischen Mittel orientiert (zuletzt im Urteil vom 19.06.2020, Az.: 30 C 462/19).

Screenshots von Internetseiten der großen Autovermieter, wie sie von Versicherungsanwälten im Prozess gerne vorgelegt werden, erteilte das AG Ibbenbüren eine klare Absage. Daraus ergebe sich nicht, dass ein Fahrzeug einer bestimmten Fahrzeugklasse am relevanten Anmiettag zu dem behaupteten Endpreis konkret verfügbar gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Versicherers musste sich die Geschädigte im Wege der Vorteilsausgleichung auch keine ersparten Eigenaufwendungen anrechnen lassen, weil sie ein Fahrzeug einer niedrigeren Mietwagengruppe angemietet hat. Ein Abzug ersparter Eigenaufwendungen hätte in diesem Fall zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers geführt.  

Vorsicht bei Prüfberichten des Kfz-Haftpflichtversicherers

Nach einem Verkehrsunfall kann sich der Geschädigte entscheiden, ob er sein Kraftfahrzeug reparieren lässt und die entstehenden Reparaturkosten konkret als Schadensersatz verlangt oder auf Basis des Kfz-Schadengutachtens fiktiv abrechnet.

In einer aktuellen Unfallsache hat sich der Geschädigte für eine fiktive Abrechnung der bestehenden Schadensersatzansprüche auf Basis des von ihm eingeholten Kfz-Schadengutachtens entschieden.

Im Rahmen der Schadenabrechnung kürzt der Kfz-Versicherer die geltend gemachten Beträge und verweist auf einen sog. „Prüfbericht“ eines einschlägig bekannten Kürzungsdienstleisters. Darin ist u. a. zu lesen, dass die Stundenverrechnungssätze bei Reparatur in einer vom Versicherer genannten Referenzwerkstatt wesentlich geringer seien.

Der Kürzungsdienstleister hat allerdings übersehen, dass er genau auf diejenige Werkstatt verweist, die der vom Geschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige ebenfalls zur Grundlage seiner Reparaturkosten-Kalkulation gemacht hat. Eine Nachfrage bei der betroffenen Kfz-Werkstatt ergab, dass der vom Kürzungsdienstleister genannte Stundenverrechnungssatz bereits seit über einem Jahr nicht mehr gilt. Der Versicherer hat also unter Zuhilfenahme eines Prüfdienstleisters auf nicht mehr existente Stundenverrechnungssätze verwiesen. Das kann bei einem unerfahrenen Geschädigten schnell den Irrtum erregen, dass eine Reparatur in der Referenzwerkstatt viel preiswerter wäre und die Kürzung berechtigt ist.

Ob es sich dabei um ein Versehen handelt oder diese Vorgehensweise Methode hat, soll nicht kommentiert werden. Fest steht jedenfalls, dass die Kürzung vollkommen unberechtigt ist und der Geschädigte einen Anspruch auf die in seinem Kfz-Schadengutachten genannten Stundenverrechnungssätze hat.

Praxistipp: In so gut wie jeder Schadenregulierung beziehen sich Kfz-Versicherer auf Prüfberichte externer Dienstleister. Diese Prüfberichte sind mit Vorsicht zu genießen. Geschädigte, die einen Kfz-Schaden selbst regulieren, sollten in jedem Fall prüfen, ob die geltend gemachten Kürzungen berechtigt sind.

Unsere Empfehlung: Direkt nach dem Verkehrsunfall einen Fachanwalt für Verkehrsrecht mit der Schadenregulierung beauftragen.