Amtsgericht Rheine: Coronabedingte Desinfektionskosten sind zu erstatten

Fallen im Rahmen der Reparatur eines Unfallfahrzeugs coronabedingte Reinigungskosten der Kfz-Werkstatt an, sind diese Kosten nach Auffassung des Amtsgerichts Rheine (Urteil vom 19.01.2022, Az.: 10 C 187/21) dem Geschädigten zu ersetzen.

Im Urteil heißt es:

„Es sind auch die Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion zu erstatten. Eine solche ist in Zeiten der Corona-Pandemie nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs, die ein Berühren des Fahrzeuges durch Dritte erfordert, notwendig. Nach derzeitigem Stand ist eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen, da vermehrungsfähige SARS-COV-2Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben.“

Den insoweit geltend gemachten Schadensersatzbetrag von 59,50 € für Material und Arbeitseinsatz hielt das AG Rheine für angemessen.

Amtsgericht Nordhorn: Verbringungskosten und Covid-19-Desinfektionskosten sind erstattungsfähig

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall in Nordhorn hat der Geschädigte ein Kfz-Schadengutachten in Auftrag gegeben, um den Schaden an seinem Fahrzeug feststellen zu lassen. Auf Grundlage der Schadenfeststellung des Gutachters hat er eine Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt in Auftrag gegeben.

Wie so häufig kürzte der auf Schadenersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer die berechtigten Schadensersatzansprüche des Geschädigten, so dass die Restforderung vor dem Amtsgericht Nordhorn gerichtlich geltend gemacht werden musste.

In diesem Rechtsstreit ging es um restliche Schadensersatzansprüche in Form von Verbringungskosten, also den Transportkosten zwischen Werkstatt und Lackiererei, sowie notwendige Kosten für Desinfektionsmaßnahmen in Folge der Covid-19-Pandemie.

Mit Urteil vom 12.01.2022 (Az.: 3 C 776/21) verurteilte das AG Nordhorn den Kfz-Versicherer zur Zahlung der offenen Beträge.

Im Urteil heißt es:

„Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen hat der Schädiger das Risiko einer fehlerhaften oder unangemessenen Reparatur der vom Geschädigten beauftragten Werkstatt zu tragen. Zwar darf der Geschädigte das Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens nicht ausblenden. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit i. S d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten gegeben hat, kann ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten nicht zum Nachteil gereichen. Es liefe dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zuwider, wenn dem Geschädigten die Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung zur Last gelegt würden, obwohl deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und auf ein von ihm nicht kontrollierbares Verhalten der Werkstatt beruht. […]

Im Streitfall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Schadens eingeholt hat. Auf die Richtigkeit eines solchen Gutachtens darf der Geschädigte i. d. R. vertrauen, soweit nicht ein vor Reparaturbeginn vorgelegtes Gegengutachten ernsthafte Zweifel erweckt.

Nach diesen Maßstäben sind die Verbringungs- und Hygienekosten ersatzfähig. Die angegriffenen Positionen sind sowohl im Gutachten als auch in der Reparaturrechnung aufgeführt; die prognostizierten und abgerechneten Kosten stimmen überein. Der Einwand der Beklagten, die Verbringungs- und Desinfektionskosten seien nicht erforderlich, ist mithin unerheblich. […]

Ungeachtet dessen bestehen keine Zweifel daran, dass die Hygienekosten adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen sind. In Zeiten einer globalen Pandemie ist für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, dass seitens der Werkstatt besondere Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden mussten. […]“

Der Geschädigte musste lediglich zugestehen, dass dem Versicherer eine Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche des Versicherers gegen die Werkstatt eingeräumt wurde.

Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Kündigung

Wenn Arbeitnehmer erkranken, benötigen sie in der Regel einen „gelben Schein“. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel für eine Erkrankung und die damit verbundene Arbeitsunfähigkeit.

Dass dies nicht immer so sein muss, zeigt sich an einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 08.09.2021, Az.: 5 AZR 149/21).

Im zugrundeliegenden Streitfall hatte eine Arbeitnehmerin am 08.02.2019 das mit ihrem Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis zum 22.02.2019 gekündigt. Gleichzeitig legte sie eine passgenaue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die mit Ablauf der Kündigungsfrist endete.

Das war dem Bundesarbeitsgericht dann doch zu eindeutig. Nachdem der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigerte und die Arbeitnehmerin ihre Vergütungsansprüche eingeklagt hatte, entschied das Bundesarbeitsgericht in dritter Instanz zu Gunsten des Arbeitgebers.

In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht heißt es insoweit:

„Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage war daher abzuweisen.“

Praxistipp: Im Zusammenhang mit Kündigungen treten immer mal wieder fragwürdige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf. Arbeitsgerichte werden hier zukünftig einen engeren Prüfungsmaßstab anwenden. Arbeitgeber haben es zukünftig leichter, sich gegen vorgeschobene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu wehren. Arbeitnehmer, die tatsächlich während der Kündigungsfrist erkranken, müssen dann die Karten auf den Tisch legen und im Zweifel den behandelnden Arzt von seiner gesetzlichen Schweigepflicht entbinden. Damit lässt sich dann die Erkrankung beweisen.

Amtsgericht Rheine zu Verweis auf günstigere Werkstatt und Wertminderung bei hoher Laufleistung

Die Geschädigte eines unverschuldeten Verkehrsunfalls rechnete die bestehenden Schadensersatzansprüche fiktiv, d. h. auf Basis eines von ihr eingeholten Kfz-Schadengutachtens ab.

Der Gutachter ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 3.958,03 € netto sowie eine Wertminderung von 100,00 €. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls 5 Jahre alt und hatte eine Laufleistung von ca. 189.000 km. Es war durchgängig und nachweisbar durchgehend in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden.

Der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer regulierte nur einen Teilbetrag der Reparaturkosten unter Hinweis auf einen sog. „Prüfbericht“. Die Zahlung einer Wertminderung lehnte er ganz ab.

Die Geschädigte klagte und bekam vor dem Amtsgericht Rheine vollständig die restlichen Schadensersatzansprüche zugesprochen (Urteil vom 20.07.2021, Az.: 14 C 55/21).

Die Begründung war kurz und knackig:

„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der fiktiven Reparaturkosten gemäß Schadengutachten der […] vom […]. In diesem Schadengutachten hat die […] die Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten und UPE-Aufschlage des Autohauses […] zugrunde gelegt. Dieses ist nicht zu beanstanden, da die Klägerin nachweislich ihr Fahrzeug bisher regelmäßig in dieser Markenwerkstatt gewartet hat. Dies hat der Sachverständige […] mit Schreiben vom 13.12.2019 bestätigt. Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf die Stundenverrechnungssätze und Materialkosten dieses Autohauses und kann nicht auf günstigere freie Werkstätten verwiesen werden.

Durch den Verkehrsunfall ist außerdem eine Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 100,00 Euro eingetreten. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass das Fahrzeug nicht unerheblich beschädigt wurde (Reparaturkosten: 3.958,03 Euro) und nunmehr den Makel eines Unfallwagens hat. Dieser Makel bleibt dem Fahrzeug erhalten, auch wenn es vollständig repariert wird und wirkt sich somit auf den Kaufpreis aus. Dies gilt auch bei Fahrzeugen, die bereits älter sind bzw. eine höhere Laufleistung aufweisen. Denn grundsätzlich verliert ein Fahrzeug durch einen offenbarungspflichtigen Unfallschaden immer an Wert, da ein solches Fahrzeug gegenüber einem unfallfreien Fahrzeug einen Nachteil aufweist.“

Kfz-Haftpflichtversicherer „kneift“ vor Berufungsurteil

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall gab der Geschädigte das Unfallfahrzeug bei der Kfz-Werkstatt seines Vertrauens in Reparatur und mietete sich für die Ausfalldauer von fünf Tagen ein Ersatzfahrzeug an.

Der in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer regulierte nur einen Teil der Schadensersatzansprüche und kürzte die geltend gemachten Mietwagenkosten. Er hielt einen Tagesmietpreis von 30,00 € für angemessen.

Der Geschädigte war damit nicht einverstanden und erhob – beraten durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN – Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Lünen. Gegenstand der Klage waren restliche Schadensersatzansprüche (Mietwagenkosten).

Der beklagte Versicherer behauptete zunächst, dass dem Geschädigten in einem Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Versicherung vor Abschluss des streitgegenständlichen Mietvertrages ein günstigerer Mietwagen angeboten wurde. Zudem sei der Mietwagen nicht als „Selbstfahrervermietfahrzeug“ zugelassen, so dass es allenfalls als „Werkstattersatzfahrzeug“ anzusehen sei. Die Kosten für ein derartiges Fahrzeug seien wesentlich geringer als diejenigen eines „echten“ Mietwagens.

Mit Urteil vom 17.06.2020 verurteilte das Amtsgericht Lünen (Az.: 7a C 135/19) den Versicherer zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 187,42 €. Den ersatzfähigen Normaltarif ermittelte das Gericht – entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund – auf Basis der sog. Mittelwertrechtsprechung, also dem arithmetischen Mittel aus Schwacke-Automietpreisspiegel und Fraunhofer-Erhebung. Die Berechnung ergab, dass die tatsächlich abgerechneten Mietwagenkosten sogar geringfügig unter dem Mittelwert lagen. Somit waren die gekürzten Beträge vollständig nachzuzahlen.

Der Behauptung, es habe ein günstigeres Mietwagenangebot vorgelegen, trat das Gericht entgegen. Nach Auffassung des Gerichts habe die beklagte Versicherung nicht beweisen können, dass tatsächlich ein konkretes, annahmefähiges Angebot unterbreitet wurde. Aus dem von der Versicherung vorgelegten Telefonvermerk ergab sich jedenfalls kein konkretes Angebot. Weitere Beweismittel blieb der Versicherer schuldig.

Ob es sich bei dem Geschädigten angemieteten Ersatzfahrzeug um ein sog. Selbstfahrervermietfahrzeug handelte, war für das Amtsgericht Lünen für die Höhe der zu ersetzenden Mietwagenkosten nicht maßgeblich. Dazu wurde kein Beweis erhoben.

Mit ausführlicher Begründung wies das Gericht darauf hin, dass der Reparaturbetrieb zwar gegen seine versicherungsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen würde, wenn er gewerblich ein Fahrzeug vermieten würde, ohne dies als Selbstfahrervermietfahrzeug zuzulassen. Das habe auf die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen einen Dritten keinen Einfluss. Denn zivilrechtlich seien nach § 249 Abs. 1 BGB Mietwagenkosten vom Schädiger zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.

Im Falle der Anmietung eines Fahrzeugs von einem insoweit gewerbsmäßig handelnden Vermieter, also auch etwa von einem mit der entgeltlichen Gestellung von Reparaturersatzwagen regelmäßig befassten Kfz-Werkstattbetrieb, darf der Geschädigte die hierfür regional üblichen Kosten für notwendig und angemessen halten, die das Gericht anhand der Mittelwertrechtsprechung ermittelte. Da keine konkreten Mietwagenpreise vereinbart wurden, stellen diese Kosten als ortsübliche Miete den ersatzfähigen Schaden dar.

Es kam nach Auffassung des Gerichts auch nicht darauf an, ob der Kläger die Mietwagenrechnung seiner Werkstatt bereits im Vorfeld des Rechtsstreits ausgeglichen hat oder nicht. Er sei nämlich in jedem Fall zur Zahlung des berechtigten Betrages verpflichtet und konnte daher von der eine Zahlung ausdrücklich verweigernden Beklagten nach § 250 S. 2 BGB Ersatz in Geld verlangen.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Lünen legte die beklagte Versicherung Berufung ein. Die zuständige Berufungskammer (22 S 19/20) machte in der Berufungsverhandlung deutlich, dass sie keinen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils habe. Insbesondere sei die Frage der Versicherungseinstufung des Mietwagens nicht relevant für die zivilrechtliche Wirksamkeit des Mietvertrages. Der durchschnittliche Geschädigte mache sich keine Gedanken zur Versicherungspflicht eines Mietwagens. Die Mehrzahl der Unfallgeschädigten dürften mit dem Begriff „Selbstfahrervermietfahrzeug“ nicht einmal etwas anfangen können.

Nach dem Hinweis des Landgerichts, dass es das erstinstanzliche Urteil bestätigen und die Berufung zurückweisen würde, nahm die beklagte Versicherung die Berufung zurück.

Damit ist das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Lünen rechtskräftig. Zu bedauern ist, dass das Landgericht Dortmund nun keine Möglichkeit mehr hat, über den Sachverhalt zu urteilen. Vor dem Hintergrund des Regulierungsverhaltens vieler Kfz-Versicherer wird sich dazu aber sicher bald eine Gelegenheit ergeben.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Lünen auch vor dem Landgericht Dortmund gehalten hätte.

Amtsgericht Münster entscheidet über Mietwagenkosten

Für einen Unfallgeschädigten hat die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN restliche Schadenersatzansprüche aus einem unverschuldeten Verkehrsunfall eingeklagt. Es handelte sich um Mietwagenkosten, welche die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung im Rahmen der Schadenregulierung gekürzt hat.

Vollkommen überraschend hat das Gericht in seinem Urteil die Ansprüche des Geschädigten verneint und die Klage abgewiesen. Aus den Urteilsgründen war aber schnell erkennbar, dass das Gericht von einem falschen Tarif ausgegangen war. Das Gericht errechnete die Mietwagenkosten auf Basis des Wochentarifs, obwohl ein Mietwagen nur für zwei Tage in Anspruch genommen wurde. Das führt selbstverständlich zu anderen Werten. Richtigerweise war der Mietpreis auf Basis des zweifachen Tagestarifs zu ermitteln.

Auf eine Gehörsrüge und nach einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Münster hat sich das Amtsgericht sodann selbst korrigiert und die beklagte Versicherung zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten verurteilt. Das Gericht ging in der Urteilsbegründung von der sog. Mittelwertrechtsprechung aus und zog trotz lediglich kurzzeitiger Anmietung wegen klassengleicher Anmietung sodann einen Betrag in Höhe von 10 % für ersparte Eigenaufwendungen ab (AG Münster, Urteil vom 25.06.2021, Az.: 60 C 3184/20).

Fazit: Zunächst ist anzuerkennen, dass das Amtsgericht Münster seinen Fehler eingestanden und das Urteil korrigiert hat. Sodann ist festzuhalten, dass der Weg manchmal steinig ist bzw. man kommt nur auf Umwegen an sein Ziel kommt. Fest steht aber, dass der Geschädigte ohne anwaltliche Hilfe seine Mietwagenkosten jedenfalls zum Teil selbst hätte zahlen müssen.

OLG Hamm urteilt zur Restwertermittlung nach Verkehrsunfall

In einer aktuellen Entscheidung hatte das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 11.02.2020, Az.: 11 U 5/20) Gelegenheit, zur Frage der Restwertermittlung im Totalschadenfall Stellung zu nehmen.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Geschädigte war ca. 150 km vom Wohnsitz entfernt unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Da das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war, beauftragte er einen Sachverständigen vor Ort mit der Schadenermittlung. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten war.

Der Geschädigte verkaufte das Fahrzeug am Unfallort zu dem vom Kfz-Sachverständigen ermittelten Restwert. Der regulierungspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer unterbreitete nach Veräußerung des Unfallfahrzeugs ein erhöhtes Restwertangebot und legte dieses Angebot der Schadenregulierung zugrunde. Ferner machte er geltend, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nicht am Unfallort, sondern am Wohnort hätte veräußern müssen.

Das OLG Hamm urteilte, dass der Geschädigte sich wirtschaftlich vernünftig verhielt, indem er das Unfallfahrzeug zu dem vom Kfz-Gutachter auf dem allgemeinen regionalen Markt am Unfallort ermittelten Restwert veräußerte. Das nach Veräußerung des Unfallfahrzeugs vorgelegte Restwertangebot des Versicherers war unbeachtlich.

Bei dieser Gelegenheit bestätigte das OLG Hamm noch einmal, dass der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen genügt, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 13.10.2009, VI ZR 318/08). In diesem Fall ist der Geschädigte nicht gehalten abzuwarten, um den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zu dem Schadensgutachten Stellung zu nehmen und/oder bessere Restwertangebote vorzulegen. Ein später durch den Versicherer unterbreitetes höheres Restwertangebot war also unbeachtlich.

Das OLG Hamm setzte sich ferner mit der Frage auseinander, auf welchen regionalen Markt es bezüglich der Restwertermittlung ankommt. Das hat der Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden. Für den Fall eines wohnortnahen Unfalls hat das OLG Hamm in einem früheren Urteil (vom 28.09.2019, Az.: 9 U 137/16) angenommen, dass der regionale Markt auf eine Entfernung von 40 km vom Wohnort des Geschädigten zu begrenzen sei. Das wird bei wohnortnahen Unfällen auch zukünftig so gelten.

Im konkreten Fall ereignete sich der Unfall allerdings 150 km vom Wohnort des Geschädigten entfernt. Der Kfz-Sachverständige hat bei seiner Wertermittlung den Standort des Unfallfahrzeugs zugrunde gelegt und Restwerte im Umkreis von 20 km Umkreis, bezogen auf den Unfallort, eingeholt. Die so erfolgte Wertermittlung habe wirtschaftlicher Vernunft entsprochen und sei nicht zu beanstanden – so die Richter. Anderenfalls wären möglicherweise Kosten für den Transport des Fahrzeugs vom Unfallort zum Wohnort angefallen, die so vermieden wurden. Der Geschädigte hat also nicht gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstoßen.

Warnung vor Fake-Rechnungen für Handelsregistereintrag beim Amtsgericht Steinfurt

Kurz nach Eintragung einer Änderung im Handelsregister erhielt die entsprechende Verwaltungs-GmbH diese Rechnung, die mit „Amtsgericht Steinfurt“ überschrieben war und durch eine Art Bundesadler sehr amtlich aussah.

Für die Veröffentlichung des Handelsregistertextes und Eintragungskosten wurden 893,42 € fällig, zahlbar innerhalb von 3 Werktagen nach Erhalt. Praktischerweise war ein Überweisungsträger direkt beigefügt.

Bei näherem Hinsehen erwies sich diese Rechnung allerdings als Fake – jedenfalls stammt sie nicht vom Amtsgericht Steinfurt. Vielmehr handelt es sich um ein „Angebot“ eines unlauteren Anbieters.  Hier soll der Empfänger abgezockt werden.

Nur im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine „Offerte für eine nichtamtliche, kostenpflichtige Eintragung“ handelt. Die zugrundeliegenden Daten stammen aus dem Bundesanzeiger. Zudem enthält die Rechnung des Amtsgerichts Steinfurt Umsatzsteuer, was für eine behördliche Rechnung unüblich ist. Der Empfänger auf dem beigefügten Überweisungsträger ist auch nicht das Amtsgericht Steinfurt, sondern „KBN“. Nähere Angaben zum Absender sind dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Praxistipp: Es handelt sich leider um eine bundesweite Abzock-Masche. Auf der Homepage des Bundesanzeigers wird (hier klicken) ausdrücklich davor gewarnt. Haben Sie kürzlich eine Eintragung im Handelsregister veranlasst und nun eine Rechnung erhalten? Dann prüfen Sie genau, ob es sich tatsächlich um eine amtliche Rechnung handelt oder Sie möglicherweise gerade Opfer einer Internetabzocke werden. Ist das Geld erstmal überwiesen, bleibt nur der steinige Weg über eine Anfechtung und Rückforderung gezahlter Beträge.

Messgerätehersteller Leivtec zieht Notbremse für Messgerät XV3

Bereits seit längerer Zeit stehen Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät Leivtec XV3 in der Kritik. Es bestand der Verdacht, dass bei Verkehrsmessungen unzulässige Messabweichungen auftreten können.

Sachverständige für Verkehrsmesstechnik und die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt streiten bereits seit Jahren über die Frage, welche Messdaten aufgezeichnet werden und zur Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen auswertbar sein müssen.

Im vergangenen Herbst haben Sachverständige in zwei voneinander unabhängigen Versuchen Messabweichungen festgestellt. Bei einer Testmessung mit zwei identischen Geräten an derselben Stelle ergaben sich bei Durchfahrt eines Fahrzeugs zwei unterschiedliche Messergebnisse. Während ein Gerät eine Geschwindigkeit von 125 km/h ermittelte, führte die Messung mit dem anderen Gerät zu einem Geschwindigkeitswert von 141 km/h. Eine derartige Messdifferenz von 16 km/h entscheidet im Zweifel über ein Fahrverbot.

Das Messverfahren zur Überwachung von Geschwindigkeitsüberschreitungen wird bundesweit eingesetzt.

Nun zog der Hersteller das Messgerät vorläufig aus dem Verkehr und forderte die Behörden, bei denen das Messgerät im Einsatz ist, auf, vorerst keine Messungen mehr vorzunehmen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es auch bei Beachtung der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät Leivtec XV3 gelten als standardisiertes Messverfahren. Diese Grundsätze können aus aktuellen Gründen keinen Bestand haben, denn möglicherweise sind betroffene Verkehrsteilnehmer gar nicht zu schnell gefahren. Aus unserer Sicht müssen Bußgeldverfahren bei Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit des Messvorgangs eingestellt werden.

Was können Betroffene jetzt tun?

Sofern Sie aktuell betroffen sind, also ein Anhörungsschreiben oder einen Bußgeldbescheid erhalten, empfehlen wir Ihnen, entweder selbst Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einzulegen und auf die Problematik hinzuweisen oder sich direkt an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden, der Ihre rechtlichen Interessen im Bußgeldverfahren vertritt.

Sind auch Geräte anderer Hersteller betroffen?

Die aktuelle Problematik betrifft derzeit nur das Messgerät Leivtec XV3. Die Kritik der mangelnden Überprüfbarkeit von Verkehrsmessungen durch die fehlende Aufzeichnung von Rohmessdaten betrifft aber auch Geräte anderer Hersteller.

Bestehen noch Möglichkeiten, ein bereits beendetes Verfahren neu aufzurollen?

Die Hürden sind leider hoch, obwohl davon auszugehen ist, dass in der Vergangenheit bereits viele Verkehrsteilnehmer zu Unrecht belangt worden sind. Es hängt vom Einzelfall ab, ob ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt werden kann. In diesem Fall empfehlen wir Ihnen eine anwaltliche Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht.

Praxistipp: Es kann sich lohnen, Verkehrsmessungen rechtlich und technisch prüfen zu lassen. Auch bei vermeintlich sicheren Messverfahren treten regelmäßig Fehler auf, die im Einzelfall zu einer Verfahrenseinstellung führen können.

Haben Sie Fragen zu einem konkreten Fall? Rufen Sie an oder senden Sie uns Anhörungsschreiben bzw. Bußgeldbescheid unkompliziert per E-Mail. Wir beraten Sie gern!

Amtsgericht Ibbenbüren äußert sich zu coronabedingten Reinigungskosten

Verkehrsunfälle ereignen sich auch während einer Pandemie. In diesem Fall ging es um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 25.08.2020.

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ließ sein beschädigtes Fahrzeug durch ein Kfz-Sachverständigenbüro begutachten und anschließend nach Maßgabe dieses Gutachtens durch seine Kfz-Werkstatt reparieren. Die Werkstatt stellte ihm neben den Reparaturkosten auch Kosten für Schutzmaßnahmen wegen des Corona-Virus in Rechnung. Die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers war nicht bereit, diese Kosten zu übernehmen.

Das Amtsgericht Ibbenbüren verurteilte den Kfz-Versicherer zur Übernahme von coronabedingten Reinigungs- und Desinfektionskosten, die vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Kunden entstanden sind (Urteil vom 03.03.2021 (Az.: 3 C 374/20).

Die Besonderheit dieses Falls liegt darin, dass sowohl Kfz-Schadengutachten als auch Reparaturrechnung der Werkstatt Reinigungskosten bei Annahme des Fahrzeugs durch die Werkstatt und Rückgabe des Fahrzeugs nach erfolgter Reparatur vorsahen. Das Amtsgericht Ibbenbüren steht auf dem Standpunkt, dass nur die Schutzmaßnahmen vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Kunden ersatzfähig sind, weil es sich um Kosten handelt, die aufgrund der derzeitigen Lage und der daraus resultierenden Notwendigkeit der gründlichen Desinfektion bei der Werkstatt für die vom Geschädigten beauftragte und vom Schädiger verursachte Reparatur anfallen. Demgegenüber sollen Kosten für die Schutzmaßnahmen bei Annahme des Fahrzeugs durch die Werkstatt als reine Arbeitsschutzmaßnahme den Allgemeinkosten der Werkstatt unterfallen. Mit dieser Desinfektion werde nicht der Geschädigte geschützt, sondern ausschließlich die Mitarbeiter der Werkstatt, so das Gericht.

Eine Absage erteilte das Amtsgericht Ibbenbüren den Versuchen der Kfz-Haftpflichtversicherung den Eindruck zu erwecken, dass der Geschädigte im Falle eines Unterliegens im Rechtsstreit von seiner Werkstatt ohnehin nicht in Anspruch genommen werde und daher auch kein Zahlungsanspruch bestehe. Dieser Behauptung „in’s Blaue“ hinein folgte das Gericht nicht.