Hinweis auf günstigeren Mietwagen nach erfolgter Anmietung

Regelmäßig kürzen Kfz-Haftpflichtversicherer die berechtigten Schadensersatzansprüche von Geschädigten nach einem Verkehrsunfall.

Auch in diesem Fall war die Geschädigte nach erfolgter Teilregulierung durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers gezwungen, ihre offenen Restansprüche mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN einzuklagen.

Das Amtsgericht Rheine verurteilte die Kfz-Haftpflichtversicherung mit Urteil vom 09.02.2021 (Az.: 14 C 201/20) zur Zahlung restlicher Schadensersatzansprüche. Die gegen die Klage vorgebrachten Argumente ließ das AG Rheine nicht geltend.

Die Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz der vollständigen Verbringungs- und Mietwagenkosten. Im Urteil heißt es:

„Maßgeblich für die Höhe des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens sind die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, wenn der Geschädigte seine Obliegenheit zur Schadenminderung nicht verletzt hat. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, dass vorliegend die Verbringungskosten übersetzt, nicht ortsüblich und nicht angemessen sind. Denn der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, gegen ihre Schadenminderungspflichten gemäß § 254 BGB verstoßen zu haben. Die Klägerin hatte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Höhe des Schadens eingeholt. In diesem Gutachten wurden die Kosten der Fahrzeugverbringung mit 135,00 € netto angesetzt. Die Klägerin durfte daher darauf vertrauen, dass die Feststellungen des Sachverständigen richtig sind und infolgedessen eine entsprechende Reparatur in Auftrag geben.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Mietwagenkosten […]. Die Beklagte hat es nicht nachzuweisen vermocht, dass sie der Klägerin ein günstigeres Mietwagenangebot gemacht hat, noch bevor die Klägerin einen Mietwagen […] angemietet hatte.“

Coronabedingte Verzögerung der Fahrzeugreparatur geht zu Lasten des Schädigers

Am 16.03.2020 fuhren Bund und Länder das öffentliche Leben coronabedingt herunter. Deutschland befand sich im ersten Lockdown.

Am 31.03.2020 ereignete sich auf der A 2 bei Magdeburg ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Geschädigten, ein BMW, erheblich beschädigt wurde. Trotz erheblicher Bemühungen gelang es nur schwer, einen Reparaturtermin in einer Markenwerkstatt zu vereinbaren. Zwei Werkstätten nahmen den Auftrag gar nicht erst an, eine weitere Markenwerkstatt war zwar zur Reparatur bereit. Coronabedingt dauerte es aber länger.

Die in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung lehnte die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für 33 Tage ab und erkannte nur 19 Tage an. Der Restbetrag ist durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN gerichtlich geltend gemacht worden.

Das örtlich zuständige Amtsgericht Burg gab nun dem Kläger recht. Mit Urteil vom 28.01.2021 (Az.: 3 C 398/20) verurteilte es den Haftpflichtversicherer zur Zahlung der restlichen Nutzungsentschädigung sowie weiterer Schadenpositionen.

Der Kläger habe das Fahrzeug direkt nach Vorlage des Gutachtens in die Werkstatt gegeben, die eine zeitnahe Reparatur in Aussicht gestellt habe. Anfang April war wegen der Osterfeiertage und insbesondere der Corona-Regelungen in keiner Werkstatt ein normales Arbeiten mehr möglich. Zu welchen Verzögerungen es kommt, konnte der Kläger nicht voraussehen, so dass er auch eine Notreparatur nicht in Erwägung ziehen musste. Zudem habe bereits der Kfz-Sachverständige im Kfz-Schadengutachten darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Reparaturdauer zu coronabedingten Verzögerungen kommen könnte. Ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht sei nicht zu erkennen.

Am Rande hatte sich das Gericht noch mit gekürzten Verbringungskosten zu beschäftigen. Im Kfz-Schadengutachten waren Verbringungskosten von 138,00 € kalkuliert. Somit bestand für den Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung dieses von der Werkstatt berechneten Betrages.

Die Wertminderung von 300,00 € war nach Auffassung des Gerichts von der Versicherung ebenfalls zu Unrecht gekürzt worden. Bei einem acht Jahre alten BMW mit Dieselmotor und 141.000 km Laufleistung handelt es sich um ein marktgängiges Fahrzeug, bei dem sich auch die Unfallfreiheit noch im Verkaufspreis auswirkt. Daher hat ein solches Fahrzeug nach einer Reparatur noch einen merkantilen Minderwert. Diesen Schaden hatte die Beklagte ebenfalls zu tragen.

Fiktive Abrechnung nach Verkehrsunfall

Für einen Unfallgeschädigten hat die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht.

Der Geschädigte hat sich dazu entschlossen, das Fahrzeug nicht reparieren zu lassen. Stattdessen erfolgte – was üblich und möglich ist – eine fiktive Abrechnung auf Basis des Kfz-Schadengutachtens.

Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer mit Sitz in Münster regulierte einen Teilbetrag und meinte im Übrigen, dass Schadenpositionen, wie UPE-Aufschläge, Verbringungskosten, Beilackierungskosten und die sog. Kleinteilepauschale nur zu ersetzen seien, wenn auch tatsächlich repariert wird.

Der Hinweis darauf, dass der Bundesgerichtshof dies anders sieht, verhallte ungehört. Dieser hat zuletzt mit Urteil vom 25.09.2018 (Az.: VI ZR 65/18) seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach Ersatzteilaufschläge und Verbringungskosten erstattungsfähig sind, wenn sie bei einer Reparatur in der ortsansässigen Fachwerkstatt anfallen würden. Auf die Frage, ob sie tatsächlich „angefallen“ oder „nicht angefallen“ sind, kommt es nicht an (ständige Rspr., vgl. auch BGH, Urteil vom 19.02.2013, Az.: VI ZR 401/12). Gleiches gilt für Beilackierungskosten, also Lackierarbeiten zur Angleichung des Farbtons an die Umgebungslackierung (BGH, Urteil vom 17.09.2019, Az.: VI ZR 396/18).

Unter Hinweis auf diese schadensersatzrechtlichen Grundsätze hat das Amtsgericht Tecklenburg den Kfz-Haftpflichtversicherer nun mit Urteil vom 07.01.2021 (Az.: 13 C 209/19) zur Zahlung offener Restbeträge verurteilt.

Praxistipp: Die Abwicklung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall gehört in die Hände eines erfahrenen Fachanwalts für Verkehrsrecht.

Mietrecht: Einsichtsrecht des Mieters in Zahlungsbelege

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.12.2020 (Az.: VIII ZR 118/19) erhöht sich zukünftig der Arbeitsaufwand für Vermieter im Zusammenhang mit Betriebskostenabrechnungen.

Die Karlsruher Richter haben entschieden, dass sich das Rechts des Mieters auf Einsicht in die Belege einer Betriebskostenabrechnung auch auf die zugrundeliegenden Zahlungsbelege erstreckt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Mieter gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein vorübergehendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht, solange ihm eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist (z. B. zuletzt BGH, Urteil vom 10.04.2019, Az.: VII ZR 250/17).

Nun hat der BGH entschieden, dass neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege zu den Abrechnungsunterlagen gehören. Der BGH begründet seine Rechtsauffassung damit, dass der Mieter mit Hilfe dieser Belege in die Lage versetzt werde, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Der Darlegung eines besonderen Interesses bedürfe es nicht.

Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte Betroffener im Bußgeldverfahren

Seit Jahren haben Betroffene in einem Bußgeldverfahren erhebliche Schwierigkeiten, von den Bußgeldbehörden und Gerichten diejenigen Beweismittel zur Einsicht und Prüfung zu erhalten, welche nach den Grundsätzen des sog. standardisierten Messverfahrens Grundlage einer Verurteilung sind. Auch Rechtsbeschwerden wurden in der Vergangenheit durch fast alle Oberlandesgerichte zurückgewiesen.

Erstmals entschied am 02.07.2019 der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (Az.: Lv 7/17), dass diese Vorgehensweise rechtswidrig ist.

Auch danach änderte sich die Verfahrenspraxis der Gerichte und Bußgeldbehörden nicht. Insbesondere haben verschiedene Oberlandesgerichte sich in Kenntnis des Urteils aus dem Saarland über diese Rechtsprechung hinweggesetzt.

Nun findet das Bundesverfassungsgericht deutliche Worte. In einem am 15.12.2020 veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 1616/18) hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die den Zugang des Betroffenen im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu Informationen betrifft, die nicht Teil der Bußgeldakte waren.  

Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung beantragte der Betroffene über seinen Rechtsanwalt die Einsichtnahme in Verfahrensunterlagen, wie Eichschein, Lebensakte, Bedienungsanleitung zum Messgerät und Rohmessdaten zur Messung. Die in der Verfahrensakte enthaltenen Unterlagen stellte die Bußgeldbehörde zur Verfügung. Hinsichtlich der nicht zur Verfahrensakte gehörenden Informationen (insbesondere Rohmessdaten) verwies die Bußgeldbehörde darauf, dass diese nur auf gerichtliche Anordnung vorgelegt würden. Auch durch das zuständige Gericht wurden die Daten nicht zur Verfügung gestellt. Der Betroffene konnte also nicht eigenständig bzw. mit Hilfe eines Sachverständigen seines Vertrauens die Richtigkeit der Messung überprüfen und sachdienliche Beweisanträge zur Prüfung der Messung stellen.

Nach Verurteilung durch das Amtsgericht legte der Rechtsanwalt des Betroffenen Rechtsbeschwerde ein. Diese hatte keinen Erfolg.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass die Entscheidungen der Gerichte den Betroffenen in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzen.

Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt grundsätzlich auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Wenn der Betroffene Zugang zu Informationen begehrt, die sich außerhalb der Gerichtsakte befinden, um sich Gewissheit über seiner Entlastung dienende Tatsachen zu verschaffen, ist ihm dieser Zugang grundsätzlich zu gewähren. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen unbegrenzt gilt. Gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten ist in Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen, um eine uferlose Ausforschung, erhebliche Verfahrensverzögerungen und Rechtsmissbrauch zu verhindern. Insofern ist maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen beziehungsweise seines Verteidigers abzustellen. Entscheidend ist, ob dieser eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf.

Durch die Gewährung eines solchen Informationszugangs wird der Rechtsprechung zu standardisierten Messverfahren nicht die Grundlage entzogen. Zwar steht dem Betroffenen ein Zugangsrecht vom Beginn bis zum Abschluss des Verfahrens zu. Er kann sich mit den Erkenntnissen aus dem Zugang zu weiteren Informationen aber nur erfolgreich verteidigen, wenn er diesen rechtzeitig im Bußgeldverfahren begehrt. Solange sich aus der Überprüfung der Informationen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses ergeben, bleiben die Aufklärungs- und Feststellungspflichten der Fachgerichte nach den Grundsätzen des standardisierten Messverfahrens reduziert. Ermittelt der Betroffene indes konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses, hat das Gericht zu entscheiden, ob es sich – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – dennoch von dem Geschwindigkeitsverstoß überzeugen kann. Im Übrigen bleiben die Möglichkeiten zur Ablehnung von Beweisanträgen aus § 77 Abs. 2 OWiG unberührt.

In dem Verfahren des Beschwerdeführers haben die Fachgerichte bereits verkannt, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren für den Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen folgt. Entgegen der Annahme der Fachgerichte kam es dem Beschwerdeführer insbesondere auch nicht auf die Erweiterung des Aktenbestandes oder der gerichtlichen Aufklärungspflicht an. Vielmehr ging es ihm um die Möglichkeit einer eigenständigen Überprüfung des Messvorgangs, um – gegebenenfalls – bei Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses die Annahme des standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können.

Oder um es mit einfachen Worten zu sagen: Der Anspruch des Betroffenen, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden, bleibt nur gewahrt, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet wird, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Für einen erfolgreichen Beweisantrag muss der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen vortragen. Dafür muss er allerdings die mit dem Messvorgang zusammenhängenden Informationen kennen.

Fazit: Damit dürfte nun geklärt sein, dass die Bußgeldbehörden und Gerichte dem Betroffenen auf rechtzeitigen Antrag sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen und Dateien herausgeben müssen, damit dieser – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – überprüfen kann, ob die Messung in Ordnung ist. Nur in Kenntnis aller Informationen kann der Betroffene sachdienliche Beweisanträge stellen.

Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN für Sie erreichbar

Ab 16.12.2020 fährt Deutschland erneut herunter. Viele Bereiche unserer Wirtschaft sind vom aktuellen Lockdown betroffen. 

Wir folgen der Empfehlung, persönliche Kontakte von Menschen zu vermeiden und können daher unseren Mandanten und Geschäfts­partnern derzeit keine persönlichen Beratungsgespräche anbieten. Der Geschäftsbetrieb der  Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN läuft aber uneingeschränkt  weiter. Selbstverständlich stehen wir Ihnen mit Rat und Tat bei rechtlichen Fragestellungen zur Verfügung.

Bitte wenden Sie sich online über unser Kontaktformular, per E-Mail oder telefonisch an uns.

Sowohl bei gerichtlichen Verfahren als auch in außergerichtlichen Unfall-Schadenregulierungen kommt es aktuell zu teilweise erheblichen Verzögerungen in der Bearbeitung. Das liegt daran, dass Gerichtstermine aufgehoben werden und Versicherungen ihre Mitarbeiter anhalten, im Homeoffice zu arbeiten.

Wir bitten um Verständnis, wenn es im Einzelfall länger dauert, bis Sie von uns über den aktuellen Sachstand Ihrer Angelegenheit informiert werden.

Amtsgericht Herne verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zu Schadensersatz

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ die durch die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN vertretene Geschädigte ihr beschädigtes Kraftfahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Die Reparaturdauer wies sie mit Hilfe eines Reparaturablaufplans der Werkstatt nach.

Dem Kfz-Versicherer reichten diese Angaben nicht. Er nörgelte herum, dass die Kfz-Werkstatt sich zu viel Zeit gelassen habe und die Geschädigte das Fahrzeug später in die Werkstatt hätte bringen und früher aus der Werkstatt hätte abholen müssen.

Das sah das Amtsgericht Herne anders und verurteilte die Kfz-Haftpflichtversicherung mit Urteil vom 07.10.2020 (Az.: 34 C 57/20) zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die volle Reparaturdauer.

Kurz und knackig heißt es in der Urteilsbegründung: „Das Risiko einer Verzögerung trägt der Schädiger. […] Insbesondere der Vortrag der Beklagten, es hätte auch eine Verbringung zur Werkstatt kurz vor Toresschluss und eine Abholung am frühen Morgen vorgelegen haben könne, ist eine Behauptung ins Blaue hinein. […] Indem die Klägerin vorgetragen hat, dass sie den Pkw vor dem Unfall täglich nutzte und ihr auch kein Fahrzeug eines Familienangehörigen durchgängig zur Verfügung stand, ist sie ihrer Darlegungslast ausreichend nachgekommen.“

AG Ibbenbüren verurteilt Kfz-Haftpflichtversicherer zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten

Amtsgericht Ibbenbüren

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ die Geschädigte ihr Kraftfahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Da sie auf ein Kraftfahrzeug angewiesen war, mietete sie während der Zeit der Reparatur ein Ersatzfahrzeug.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die als Schadensersatz geltend gemachten Mietwagenkosten und rügte den Mietwagen als zu teuer.

Das Amtsgericht Ibbenbüren (Az.: 30 C 462/19) sah das anders. Es verurteilte den Kfz-Versicherer mit Urteil vom 08.10.2020 zur Zahlung der offenen Restbeträge.

Da unfallbedingte Besonderheiten nicht vorgetragen wurden, schätzte das AG Ibbenbüren die Erforderlichkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Hamm nach dem Mittelwert zwischen Schwacke-Automietpreisspiel und Fraunhofer-Erhebung – in der Schadenbranche auch „Fracke“ genannt.

Bei den Einzelwerten orientierte sich das Gericht korrekterweise am „Modus“ des Schwacke-Automietpreisspiegels. Der Modus ist der Wert, der im Rahmen der Datenermittlung durch Schwacke am häufigsten genannt wurde und somit dem in der Praxis genannten Mietpreis am nächsten kommt. Insofern besteht eine Divergenz zur Rechtsprechung der Abteilung 3 C des AG Ibbenbüren, welche sich schon innerhalb des Schwacke-Automietpreisspiegels am arithmetischen Mittel orientiert (zuletzt im Urteil vom 19.06.2020, Az.: 30 C 462/19).

Screenshots von Internetseiten der großen Autovermieter, wie sie von Versicherungsanwälten im Prozess gerne vorgelegt werden, erteilte das AG Ibbenbüren eine klare Absage. Daraus ergebe sich nicht, dass ein Fahrzeug einer bestimmten Fahrzeugklasse am relevanten Anmiettag zu dem behaupteten Endpreis konkret verfügbar gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Versicherers musste sich die Geschädigte im Wege der Vorteilsausgleichung auch keine ersparten Eigenaufwendungen anrechnen lassen, weil sie ein Fahrzeug einer niedrigeren Mietwagengruppe angemietet hat. Ein Abzug ersparter Eigenaufwendungen hätte in diesem Fall zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers geführt.  

Prüfdienstleister rufen bei Kfz-Werkstätten an

Wenn ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall Schadensersatzansprüche geltend macht, legen Kfz-Haftpflichtversicherer dem Geschädigten oder seinem Rechtsanwalt regelmäßig sog. Prüfberichte vor. Diese Prüfberichte sollen den Anschein erwecken, als habe ein Sachverständiger der Versicherung die Schadensersatzansprüche überprüft. Tatsächlich handelt es sich allerdings lediglich um Dienstleister, die mittels künstlicher Intelligenz diverse Versicherer in der Schadenabwicklung unterstützen. In der gerichtlichen Praxis ist anerkannt, dass diese Prüfberichte nicht geeignet sind, ein unabhängiges Kfz-Schadengutachten in Zweifel zu ziehen.

Aktuell müssen wir feststellen, dass diese Prüfdienstleister nun dazu übergehen, Kfz-Werkstätten nach erfolgter Reparatur und Abrechnung der Reparaturleistung anzurufen, um über die Erforderlichkeit des Reparaturaufwandes verhandeln und eine Einigung hinsichtlich der im Prüfbericht stehenden Kürzungen herbeizuführen. Diese Vorgehensweise halten wir für äußerst fragwürdig. Es wird sich zeigen, wie die Gerichte damit umgehen, wenn der Prüfdienstleister nun seine vermeintliche Objektivität verlässt und proaktiv für den Versicherer Kürzungen verhandelt. Damit dürfte deutlich werden, was die wahre Intention der sog. Prüfdienstleister ist. Den Deckmantel der Neutralität hat der Prüfdienstleister damit jedenfalls abgelegt.

Praxistipp: Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall gehört in die Hände eines Fachanwalts für Verkehrsrecht. Wir raten Kfz-Werkstätten davon ab, sich auf Gespräche und Verhandlungen mit Kürzungsdienstleistern einzulassen. Zweck der Anrufe ist einzig und allein, die Reparaturkosten zu Lasten der Kfz-Werkstatt zu drücken. Haben Sie Probleme in der Schadenabwicklung? Sprechen Sie uns gerne an.

Unbegleitete Probefahrt birgt Risiken

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil (vom 18.09.2020, Az.: V ZR 8/19) entschieden, dass ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde, dem Eigentümer nicht im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen ist. Dieser verliert daher sein Eigentum an dem Fahrzeug, wenn es anschließend durch einen Dritten in gutem Glauben erworben wird. 

Dem Fall des BGH lag Sachverhalt zugrunde:

Bei der Klägerin, die ein Autohaus betreibt, erschien ein vermeintlicher Kaufinteressent für ein als Vorführwagen genutztes Kraftfahrzeug (Mercedes-Benz V 220 d) im Wert von 52.900 €. Nachdem dieser hochprofessionelle Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Kurze Zeit später wurde die Beklagte in einem Internetverkaufsportal auf das dort von einem Privatverkäufer angebotene Fahrzeug aufmerksam. Die Beklagte, die die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht erkannte, schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Ihr wurden nach Zahlung des Kaufpreises von 46.500 € das Fahrzeug, die Zulassungspapiere, ein passender sowie ein weiterer – nicht dem Fahrzeug zuzuordnender – Schlüssel übergeben. Die Behörde lehnte eine Zulassung ab, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war. 

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeuges und des Originalschlüssels; die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage u. a. die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere und des Zweitschlüssels. 

Das Urteil ist von hoher praktischer Relevanz. Jedem Kfz-Händler ist anzuraten, genau zu prüfen, wem das Fahrzeug zur Probefahrt überlassen wird.

Bislang liegt lediglich eine Pressemitteilung des BGH vor. Aus den Entscheidungsgründen wird sich ergeben, ob und gegebenenfalls welche weiteren Besonderheiten in diesem Fall eine Rolle gespielt haben. Denn die bisherige Rechtsprechung hat vielfältige Anforderungen an die Umstände des späteren Kaufs gestellt, die einen gutgläubigen Erwerb unter Umständen ausschließen können.

Die Rechtsanwaltskanzlei BARGMANN hat kürzlich vor dem Landgericht Osnabrück ein Autohaus vertreten, das einem Kunden ein Fahrzeug vermietet hat. Der Kunde mietete unter Vorlage seines Personalausweises das Fahrzeug an und gab es zum Ablauf der Mietzeit nicht zurück. Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens stellte sich heraus, dass der Kunde das Fahrzeug mit gefälschten Papieren und lediglich einem Schlüssel bei einem Verkauf auf der Straße weiterveräußert hat. Glücklicherweise erhielt der Autovermieter das Fahrzeug im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens von der Polizei zurück.

Der unglückliche Käufer, der trotz Zahlung des Kaufpreises nun kein Fahrzeug mehr hatte, klagte auf Herausgabe des Kraftfahrzeuges gegen das Autohaus.

In der Gesamtschau kam das Landgericht Osnabrück (Urteil vom 17.07.2020, Az.: 3 O 508/20) zu dem Ergebnis, dass der Käufer nach §§ 929 S. 1, 932 BGB in grob fahrlässiger Weise verkannt hat, dass der Verkäufer nicht verfügungsberechtigt war. Eine solche grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt ist und der Erwerber unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Beim Erwerb eines gebrauchten Kfz kann eine Vielzahl kleiner Auffälligkeiten, die für sich genommen zur Begründung einer grob fahrlässigen Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Verkäufers nicht ausreichen würden, in ihrer Gesamtheit einen handgreiflichen Anhaltspunkt für Zweifel am Eigentum des Verkäufers bilden und damit eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen – so das LG Osnabrück.

In diesem Fall gab es diverse Tatsachen, die den Käufer hätten stutzig machen müssen, insbesondere:

  • Die Behördenstempel in der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II stammten von unterschiedlichen Behörden.
  • Der genannte HU-Termin passte nicht.
  • Die Angaben im Serviceheft korrespondierten nicht mit den Angaben des Verkäufers.
  • Der Verkäufer konnte keinen Zweitschlüssel übergeben.
  • Der Verkauf fand auf offener Straße statt (sog. Straßenverkauf)

Im Ergebnis hat der Kläger des Rechtsstreits vor dem LG Osnabrück kein Eigentum erworben, so dass er keinen Herausgabeanspruch hatte. Die Klage wurde abgewiesen.

Praxistipp: Kfz-Händler, die ein Kraftfahrzeug zur unbegleiteten Probefahrt herausgeben, gehen ein hohes Risiko ein. Nach der Entscheidung des BGH steht einmal mehr fest, dass das Kraftfahrzeug nicht im Sinne des § 935 BGB abhanden gekommen ist. Es kann von einem Dritten gutgläubig erworben werden. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, für eine notwendige Anpassung der Gesetzeslage zu sorgen.